Wahr-nehmen.

Eigentlich wahr’s gar nicht so übel. Bilder können täuschen. In der Tat, man muss von einem Sampling error ausgehen. Zumal Herr Beyer vor sechs Jahren sich fotografisch wie ein übergewichtiger Möchtegernprofi im sportiv geschnittenen Telekomtrikot auf einem Carbonhightechrennrad bewegte. Übersetzt bedeutet das: Er fotografierte mit der teuren Spiegelreflex im Automodus. Da konnte man ja nichts Vernünftiges erwarten.

Der liebe Bruder Michael sah anno 2011 beim gemeinsamen Radurlaub in der Provence in Wirklichkeit viel, sehr viel glücklicher aus. Kaum kaputt wahr er gewesen. Wieso auch, bei läppischen Streckenlängen von 70 bis 120 Kilometer durch die leicht kupierte Provence. Auch den Mont Ventoux ging es nur einmal hoch. Hingegen genoss er Landleben, Stille, Käse und Wein. Er amüsierte sich köstlich sich über die schmetterlingsfangenden britischen Touristen und verbrachte mehr Zeit im Liegestuhl im wunderschönen Garten von Peter und Beatrice als im Sattel. Ein durchaus erholsamer und glücklicher Urlaub, dessen anstrengendste Herausforderung die An- und Abreise mit dem Automobil wahr. Ja, so wahr das 2011 in Frankreich!

Auch dieses Mal wird es wieder so schön werden: Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien. Radfahren in der Provence, da kann man nichts falsch machen. Und – Herr Beyer hat in den vergangenen Jahren zumindest ein wenig das Fotografieren geübt. Es besteht daher die berechtigte Hoffnung, dass er die bald strahlenden Gesichter seiner Reisegefährten Ella, Lukas und Moritz stimmungsvoll in Szene setzen wird. Denn Folgendes sollte die Leserschaft wissen: Die drei und Herr Beyer werden es sich gut gehen lassen. Ein wenig Radfahren, ein bisschen Kultur und viel Entschleunigung und Ruhe.

Nein – richtig lesen! – nicht Endbeschleunigung. Die vier Radfahrer wissen nämlich nur allzu gut, wie es mit Ruhe und Entspannung und dem Rad nicht geht. Die Leserschaft darf also davon ausgehen, dass die vier eben nicht um Sechs in der Früh die Taschen packen, dann das Frühstück ausfallen und um Sieben im Sattel sitzen werden, um das Tagespensum halbwegs zu bewältigen. Auch wird ihnen gewiss nicht der Fehler unterlaufen, an jedem schönen Café in den idyllischen Ortschaften vorbeizustechen, um den 30er Schnitt aufrecht zu halten. Und sie werden nicht Gefahr laufen, den vorbeiziehenden Rennradlern und Mofafahren im Windschatten zu folgen. Nein, sie werden gewiss nicht das leckere Mittagessen unter der schattigen Linde ausfallen lassen, um den einen Pass noch mitnehmen zu können und sie werden sich nicht erst bei einbrechender Dunkelheit auf die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit begeben, um gegen halb Neun verschwitzt, durchgefrohren und hungernd bei französischen Bauern aus Mitleid Asyl zu gewährt zu bekommen. Nein, nein, sie werden dann nicht ungewaschen und stinkend um halb Zehn in den Schlafsack kriechen und das mitgebrachte Buch als Kopfkissenersatz verwenden. Und am Ende des Tages werden sie sich gewiss nicht fragen, ob es nicht auch 50 Kilometer weniger getan hätten. Das mitgeführt Zelt und die Kocheinheit sollen übrigens nur als Trainingsgewicht dienen, um für die kurzen Strecken zu kompensieren. Und Regenklamotten sind dafür gedacht, die provenzialischen Wasserfälle genauer inspizieren zu können.

Am Ende der Urlaubswoche in Frankreich, werden sie gewiss nicht glücklich darüber sein, nicht noch einen weiteren Tag Rad zu fahren. Und es wird ihnen schwer fallen, nicht noch ein weniger länger in der schönen Provence zu bleiben. Ja, so wird es wieder sein, in Frankreich! Und Herrn Beyer wird es hoffentlich gelingen, diese entspannten Stimmungen fotografisch einzufangen.

 

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