Kubanische Noxen.

Arzt sein kann zum Laster werden, besonders auf Reisen. Dabei könnte man glauben, dass es von Vorteil sein müsste, über alle möglichen Erkrankungen, die man sich unterwegs einfangen kann, Bescheid zu wissen, um nicht zuletzt sofort Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Crux des Arztes jedoch ist: Entweder er weiß etwas, oder er weiß etwas nicht. Herleiten ist nicht. Er ist ein Meister des Halbwissens, der nur wissen muss, wo weitere Informationen zur Ergänzung seines Halbwissens geschrieben stehen. Früher waren das dicke Wälzer; heute hilft ihm Google. Wenn der Arzt nun auf Reisen ist und eben keinen dicken Wälzer mit sich führt und auch keinen Zugang zum Internet hat, dann ist er nicht nur aufgeschmissen, sondern verschlimmert die Symptome und Beschwerden dessen, was er sich unterwegs einfängt, indem er sich Gedanken über Gedanken macht, anstatt Tee zu trinken, bis es besser wird. Man nennt das Nocebo-Effekt, der komplementär zum Placebo-Effekt zu betrachten ist. Manchmal geht er sogar soweit, dass er sich gar nichts eingefangen hat und trotzdem leidet. Dann spricht man von Hypochondrie, die es aber nicht nur unter Ärzten gibt.

Das medizinische Halbwissen addiert sich übrigens nicht. Allein schon die mathematische Betrachtung beweist dies. Bei drei Ärzten müsste dann eineinhalb Wissen (3 x 1/2) vorliegen, was doch nicht geht, wenn es nur ein ganzes Wissen gibt. Das medizinische Halbwissen wird folglich multipliziert. Bei drei Ärzten entspricht das dann einem Achtelwissen (1/2 hoch 3, oder 1/2 x 1/2 x 1/2). Frau Schmidt müsste jetzt intervenieren, wenn Herr Beyer hier wieder mathematischen Unsinn verzapft. Nur zu!

Jedenfalls lag ein derartiges medizinisches Achtelwissen bei Frau Gackstatter, Herrn Schmidt und Herrn Beyer in Kuba vor und es gab weder einen dicken Wälzer noch Zugriff auf Google oder ähnliche elektronische medizinische Dienste, um etwaige Lücken zu schließen. Aus diesem medizinische Achtelwissen wuchsen dann nachfolgende Betrachtungen, die natürlich im Multiple-Choice-Stil hoch diskutiert wurden. Und, man wird es sich wohl schön ausmalen können, der Nocebo-Effekt wuchs und wuchs und wuchs in ungeahnte Dimensionen.

Frage 1: Welche Erkrankungen verursachen Durchfall und Fieber: (a) Typhus; (b) Adenovirus; (c) Salmonellen; (d) Elektrolytstörungen; (e) Amöben. Die Überlegungen waren: Typhus wird es schon nicht sein, da die Typhus-Impfung für Kuba nicht empfohlen wird und die alte Typhus-Impfung bei den dreien die Symptome zumindest hätte lindern müssen. Adenovirus wohl auch nicht, denn da wären man einen Tag lang explodiert, ehe es wieder besser würde. Ja, Salmonellen und Amöben wären doch gute Kandidaten und die Elektrolytstörungen. Also 33%ige Wahrscheinlichkeit, dass richtige zu erraten. Und wie wird das dann behandelt?

Frage 2: Welche Erkrankungen können durch Feinstaub ausgelöst werden: (a) Lungenkrebs; (b) Lungengerüstveränderungen; (c) Herzkreislauferkrankungen; (d) Allergien; (e) Rheuma. Da stimmt wohl alles; die Frage ist nicht lösbar. Wir beschweren uns bei IMPP (das Institut, das die Staatsexamina erstellt). Wir verklagen die! Aber es hilft ja auch nichts. Schützen können wir uns vor den Abgasen doch gar nicht. Außerdem ist das, was aus den LKWs und PKWs kommt doch kein Feinstaub, sondern Grobstaub. So verrußt ist das. Die Gefahr ist zumindest sichtbar! Also Luft anhalten und durch!

Frage 3: Welche Erkrankungen können durch die Genussmittel Tabak und Mojito ausgelöst werden: (a) Kehlkopfkrebs; (b) Lungenkrebs; (c) Rheuma; (d) Leberzirrhose; (e) Abhängigkeit. Ach, das nehmen wir mal nicht so eng. Der gute Herr von der Tabaksplantage sagte ja, dass in einer kubanischen Zigarre höchstens ein Hundertsel der Schadstoffe einer amerikanischen Filterzigarette stecken. Und den Mojito mischen die hier ganz dünn, fast ohne Alkohol: Den gibt es nämlich als Aperitif zum Abendessen, und zum Mittagessen und manchmal zum Frühstück. Und er kostet nur ein Drittel oder Viertel von dem, was er zu Hause kostet, weswegen nur ein Drittel oder Viertel Alkohol drin sein wird. Also alle Antworten falsch, Frage wieder nicht lösbar, IMPP wird nochmals verklagt. Oder, ach, frei nach Werner Beinhart: „Prooost! Hau wech die Scheiße!“

2 Comments

  1. Ella

    Zum Wissen: (es war ja quasi eine Aufforderung zum intervenieren). Ich denke bei der Addition des Wissens von euch drei muss man wie bei der Addition von Wahrscheinlichkeiten vorgehen. Es gibt die Menge G des gesamten Wissens, also 1. Dann haben wir die Menge C (Wissen von Christian), Menge L (Wissen von Lukas) und Menge Z (Wissen von Zita), die alle 1/2 sind. Wenn man die Addiert kann man jede Zahl zwischen 1/2 und 1 erhalten. Die Schnittmengen der jeweiligen Wissen sind uns ja nicht bekannt. Es könnte also sein, dass C=L ist und Z das auf 1 ergänzen könne. Aber ich glaube ich halte für den wahrscheinlichsten Fall, dass 1/2 < C + L + Z < 1 gilt. Das gefühlte Achtelwissen halte ich für ein Artefakt der Hypochondrie.
    Habe ich jetzt alle Klarheiten beseitigt?

    • Oha, da werde ich Dich demnächst häufiger als Gastschreiberin anstellen müssen, um die eklatanten mathematischen Wissenslücken kompensieren zu können. Demnach ergäbe Ella volles mathematisches Wissen E = 1 und Christian Einhundertstel mathematisches Wissen C = 1/100 in der Addition im Sinne der Addition von Wahrscheinlichkeiten ja eins!

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