Eigentlich hätten Beyer & Schmidt vom BSE-Team (Beyer-Schmidt-Expedition) ihre Tolltour gleich am ersten Tag abbrechen müssen. Die Vorzeichen waren eindeutig, schlecht! Die Gefahr lag in der Luft. Während die erlittenen Bahnverspätungen- und Ausfälle gerade noch zu verkraften waren, hätte spätestens dann Schluss sein müssen, als Herr Schmidt seine heißgeliebte, über Jahrzehnte eingelaufene, durch die Welt gereiste, linke Expeditionskultbadelatsche verloren hatte. Beyer & Schmidt hätte klar sein müssen, dass ihre Tolltour unter einem schlechten Stern stand. Und tatsächlich sollten sie von weiteren Bleiten und Bech nicht verschont bleiben; in die Bahn stiegen sie im Verlauf der nicht mehr.
Vor schon langer Zeit studierte Herr Beyer ein Interview von einem Langzeitreisenden in einer großen deutschen Wochenzeitschrift. Der junge Mann fiel dadurch auf, dass er sich über die sozialen Medien in Kanada von Tür zu Tür schnorrte und dass er einen 30 Jahre alten, klapprigen VW Bulli besaß. Als ihn der Reporter fragte, ob er nicht Bedenken hätte, dass die alte Kiste eines Tages stehen bleiben würde, antwortete der junge Mann, dass er genau davon ausginge, sich aber auch auf diesen Moment freue, denn dann würde ein neues Abenteuer beginnen. Ja, an dieses Interview sollte sich Herr Beyer während der Tolltour mit Herrn Schmidt mehrere Male erinnern.
Nun aber chronologisch: Beyer & Schmidt waren bereits seit einigen Monaten vom Bikepacking-Virus infiziert. Infiziert, respektive inspiriert, hatte sie eine Gruppe von rund 20 Bekloppten, die 2016 erstmalig die Bikepacking-Trans-Germany mit 1600 Kilometer von Basel nach Rügen entlang der europäischen Wasserscheide im Bikepacking-Stil zurückgelegt hatten. Der Schweizer Reto Koller hatte in einem Höllenritt 6,5 Tage benötigt. Als dann dieses Jahr noch die wunderbare Videodokumentation von Lukas Winkelmann und Sven Garbe über die Bikepacking-Trans-Germany veröffentlicht wurde (http://www.bikepacking.com/plog/bikepacking-trans-germany-video/), stand das nächste Radabenteuer für das BSE-Team fest.
Dabei sollte es für Beyer & Schmidt ein gemütlicher Saisonausklang werden, so dass die vollständige Bewältigung der Route bis Rügen gar nicht zum Ziel auserkoren wurde. In sechs Tagen wollten die beiden circa die Hälfte der Route zurücklegen, nämlich von Basel nach Erlangen, wobei letzteres tatsächlich einer der Etappenorte auf der Bikepacking-Trans-Germany ist. Den Erlangern sei geschrieben, dass von den ausländischen Startern besonders Schweinshaxe und Bier an den Erlanger Kellern als kulturelle Highlights gefeiert werden (http://rolandsturm.blogspot.de/2016/07/bikepacking-trans-germany.html). Da es eben nur bis Erlangen gehen sollte, riefen Beyer & Schmitt die Bikepacking-Trans-South-Germany aus.
Nachdem Herr Beyer dieses Jahr bereits auf dem Fränken-Divide erste Erfahrungen mit Bikepacking in unwegsamen Gelände gemacht hatte, war die Bikepacking-Trans-South-Germany für Herrn Schmidt eine Premiere. Geläutert von den Höhenmeter des Fränken-Divides entschied sich Herr Beyer für eine spartanische Ausrüstung: Bis auf zwei Paar Socken, zwei Unterhosen, zwei Flaschen und zwei Laufrädern hatte er alles andere nur einfach gepackt. Hingegen wählte Herr Schmidt das Comfort-Packet, bei dem an nichts gespart wurde, was gut und schwer war: Zwei Radhosen, zwei Radtrikots, zwei Pullover, zwei klassische Radtaschen, vier Flaschen, das schwerste Schloss aus der Sammlung und vieles mehr. Dementsprechend beschloss Herr Beyer noch am Erlanger Bahnhof, wo sich die beiden zur Abreise gen Basel getroffen und den Equipment-Check durchgeführt hatten, Herrn Schmidts Rad nicht mehr anzufassen. Die Gefahr, sich einen Bruch zu heben, war einfach zu groß. Und Herr Beyer sollte gut daran tun: Während Herr Schmidt mit Sauerstoffschuld, Schweißausbrüchen und Knieschmerzen zu kämpfen hatte, fühlte sich Herr Beyer wie bei einem Wanderurlaub durch die Mecklenburg-Vorpommerische Seenplatte. Einfach großartig! Nur schade, dass Herr Schmidt sich beim nächsten Mal auch anschicken wird, Gewicht zu reduzieren: Am Rad versteht sich.
Anfangs des Beitrages war schon erwähnt, dass die Bahn dieses Mal nicht unbedingt Pflege ihres Kundenstammes betrieb. Beyer & Schmidt möchten sich in diesem Zusammenhang gar nicht über verspätete oder ausgefallene Züge beschweren – das kann ja im besten Hause passieren, aber die Informationspolitik der Bahn ließ durchaus zu wünschen über. Erst hätte der Regionalexpress von Erlangen nach Nürnberg keine, dann 5, dann 10 und schließlich 30 min Verspätung gehabt, ehe es am Ende hieß, der Zug sei überfüllt. Die Veröffentlichung der erfreulichen Informationen im 2 min-Takt ließ die Glaubwürdigkeit der Bahn ins Unermessliche steigen. Doch, der Leser erinnere sich an den Bulli-Fahrer: Das Abenteuer sollte also frühzeitig beginnen. Beyer & Schmidt wechselten kurzerhand auf Radbekleidung und überbrückten die Strecke zum Nürnberger Bahnhof auf dem Velo.
Das Bahnabenteuer war noch nicht zu Ende: Nachdem sich Beyer & Schmidt mit anderen verschwitzten Radlern in überfüllte Züge nach Ulm gequetscht hatten, war dort Endstation. Radfahrer und auch andere Mitfahrer wurden nach Freiburg oder Basel wegen Überfüllung nicht mehr mitgenommen. Ob der nächste und damit letzte Zug in Richtung Freiburg oder Basel noch Kapazität gehabt hätte, war den Bahnangestellten nicht bekannt. Nur gut, dass Beyer & Schmidt nicht wie andere Radreisende am nächsten Tag wieder auf Arbeit hatten gehen müssen, sondern erneut improvisieren konnten. Die Radreise begann folglich in Ulm und so saßen die beiden 20 min später auf dem Velo, um entlang der Donau nach Südwesten in Richtung Basel zu fahren.
Als die Monotonie am Rad endgültig die Bahn-induzierten Endorphine abgebaut hatte, wartete die nächste Bleite: Die außen an der Tasche befestigte, linke Expeditionskultbadelatsche von Herrn Schmidt war verloren gegangen und damit Erinnerungen, die bis in die Grundschulzeit zurück reichten. Beyer & Schmidt unternahmen eine ausgiebige, aber schließlich erfolglose Suchaktion. Schon fast hätten sie die Polizei verständigt, als Herr Schmidt einsah, dass er sich von seiner Badelatsche trennen müsste. Als für jeden offensichtliche Erinnerung, mancher würde gar von einem Mahnmal schreiben, sollte die rechte Badelatsche die restliche Reise an der anderen Radtasche zurück nach Erlangen bewältigen. Über den Verbleib der rechten Badelatsche ist dem Autor bislang nichts bekannt. Gerüchten zu Folge soll sie demnächst als Wandinstallation in der Villa Schmidt zu bestaunen sein.
Nur ganz allmählich kam nach dem bitteren Verlust wieder Abenteuerstimmung auf; eigentlich erst mit Einbruch der Dunkelheit, als die beiden Bikepacker den Donauradweg verließen, um am Bussen, eine der Erhebungen der Gegend, zu biwakieren. Etwas Brot und Wurst, eine Packung Chips, zwei Dosen Bier und ein Schluck Whiskey aus Herr Schmidts Flachmann trugen zur steigenden Stimmung bei. Mit Wind- und Sichtschutz ließ es sich dann ausreichend gut nächtigen, auch wenn Herrn Beyers Schlafqualität seinem Rationalisierungswahn bisweilen zum Opfer geworden war: Mit Isomatte hätte es sich doch besser geschlafen. Eine wichtige Anmerkung des Autors soll in diesem Zusammenhang unbedingt beachtet werden: Beyer & Schmidt waren ohne Zelt unterwegs, campierten nicht, sondern rasteten ausschließlich.
Am zweiten Tag ging es ohne Bleiten durch das ansehnliche Anfangsstück der Donau zurück zur Donauquelle nach Donaueschingen. Beyer & Schmidt waren sich einig, dass das nun schmäler zulaufende Donautal fast an die Schönheit des Wiesent- oder Pegnitztals heranreichte. Da lohnte es sich auch, die Mittagspause auf einer Wiese an der Donau zu verbringen, ehe es zur Donauquelle ging. Nachdem Herr Beyer von Belgrad flussaufwärts schon große Teile des Donauradweges befahren hatte, war es ein besonderes Gefühl, an den Ursprung des fast 3000 Kilometer langen Flusses zu gelangen, zumal die Quelle sehr hübsch in einen Schlossgarten in Donaueschingen eingebettet liegt. Für die nächtliche Rast ging es weiter an die Wutach, wo sich Schmidt & Beyer den Schutz einer überdachten Holzbrücke dienlich machten. Unabhängig voneinander hörten beide nachts Schritte auf der Brücke, wovon beide dachten, dass sie dem anderen gehörten. Erst am nächsten Tag stellt sich heraus, dass es sich um den dritten Mann hatte handeln müssen: „Ich dachte, das warst Du, als Du zum Pinkeln warst.“ Nö, ich meinte, Du warst das gewesen!“ Und nicht nur in dem Wiener Klassiker sollte der dritte Mann ein Unbekannter bleiben.
Der dritte Tag startete ausgezeichnet: Das Leberkäs-Weckla bei der Metzgerei Gut in Fützen ohne „P“ kostete exakt einen Euro. Auch wenn Herr Beyer in der Metzgerei genauso wenig verstand wie in einer beliebigen Metzgerei in Chile, konnte er dank seiner non-verbalen sprachlichen Fähigkeiten schließen, dass die zwei Leberkäs-Weckla für Herrn Schmidt demnach zwei Euro kosteten. Herr Beyer blieb bei der Linser Torte für den Inschtänt-Schuggar-Schabblei – eine Hommage an das Schwäbische – da es nun endlich auf den Track (schwäbisch wie fränkisch „Drägg“ ausgesprochen) gehen sollte. Der Leser wird bemerkt haben, dass es für Beyer & Schmidt nicht ganz bis Basel reichte, aber das zu Erwartende war zu Ungewiss gewesen. Das Risiko einzugehen, noch einen zusätzlichen Tag mit der Anfahrt nach Basel zu verbringen, war zu groß, zumal sich Herr Schmidt geschworen hatte, kein Stück mehr mit der Bahn zurückzufahren, gesetzt dem Falle, die beiden hätten es in der angestrebten Zeit nicht bis Erlangen geschafft. Der erste Anstieg auf die Schwäbische Alb hatte es schon in sich; jedoch blieb der Track danach auf der Alb-Höhe, so dass die Fahrt vorerst gemütlich blieb; und hübsch in Anbetracht des Alpenpanoramas in der Ferne.
Der dritte Tag sollte noch an Fahrt aufnehmen: Nicht nur, dass es zunehmend hoch und runter ging, auch die Bleiten-Bech-und-Bahnliste wurde länger. Kurz vor dem Zöller Horn mit Blick auf Burg Hohenzollern – und dieser Ausblick ist wirklich sensationell, s.h. Bildmaterial – begann sich Herrn Beyers Freilauf zu verabschieden. Konnte sich Herr Beyer kurz zuvor darüber freuen, den steilen Anstieg im Lightweight-Bikepacking-Stile gemeistert zu haben, während Herrn Schmidts Pinion-Getriebe unter der Last lechzte, rutsche ihm nun selbst beim nächsten Anstieg unter Volllast der Freilauf durch. Von da an hieß es, in den Steilstücken schieben, auch wenn das keinen nachhaltigen Erfolg bringen sollte. Doch dazu erst am nächsten Tag! Danach verpassten Beyer & Schmidt einmal mehr den wunderbaren Sonnenuntergang und stolperten beladen mit einer Extraportion Wasser für die abendliche Dusche in das Schutzhäuschen an der Alb. Schließlich fiel Herrn Schmidt auf, dass der Flachmann am Morgen unverschlossen in seine Tasche zurückgegangen war. Der Whiskey stand nun nicht mehr als wärmender Energieträger für die Nacht zur Verfügung, sondern sorgte für einen alkoholisierten Geruch in der von Mutter entliehenen Radtasche. Wahrscheinlich, so mutmaßten Schmidt & Beyer, war der dritte Mann der Schuldige gewesen.
Einen inhaltlichen Einschub möge der Leser an dieser Stelle gut heißen, nämlich die Diskussion einer althergebrachten Kritik von Herrn BZ aus F. an den Duschgewohnheiten eines ihm bekannten Radreiseradlers. Nach den Erfahrunen von Beyer & Schmidt ist eine Radflasche Wasser zum Duschen tatsächlich unzureichend. Eine eineinhalb Liter Wasserflasche scheint aber ideal, solange man die Haarpracht von Herrn Beyer besitzt. Ein halber Liter vor Anwendung des Shampoos und einer danach, und der Radler besticht durch neue körperlich Reinheit. Bei Haarwildwuchs kann ein zusätzlicher halber Liter Wasser durchaus Wunder bewirken. Idealerweise verwendet der Radreisenden gar kohlensäurehaltiges Wasser, welches bakterizide Wirkung haben soll. Zumindest hält sich bei vielen Südamerikareisenden das Gerücht, die Kohlensäure in der Cola sein bakterizid.
Die Bleiten-Serie begleitete Beyer & Schmitt leider auch an Tag vier, wobei vor allem Herr Beyer der Leidtragende war. Nebst zweier Platten stellte der Freilauf auf der Abfahrt nach Bad Urach endgültig den Dienst ein. Nachdem der Freilauf zunächst unter Last krachte und rutschte, waren zwischenzeitlich nach jeder Freilaufphase zwei bis drei leere Kurbelumdrehungen nötig, ehe der Freilauf erneut griff. Schließlich gab der Freilauf komplett den Geist auf und Herr Beyer trat ausschließlich ins Leere, während Herr Schmidt ihn schob. Herr Beyer und die Laufräder: Eine Tragödie in mehreren Akten, wobei nun mehrere Berichte im WWW konstatieren, dass das Bontrager Laufrad, das Herrn Beyer in Chile im Stich ließ, auch bei anderen Radreisenden frühzeitig versagte.
Zum Glück lag der nächste Radladen in Dettingen nur fünf Kilometer von Bad Urach entfern. Zum Glück hatten Herr Eberle und Kollegen ihren Radladen, den Country-Bike-Shop, an diesem Mittwoch Nachmittag geöffnet. Und zum Glück erkannte Herr Eberle den Radnotfall sofort: Nachdem Reparaturversuche des Fulcrum-Leichtgewichtrades scheiterten („Die sind ja verrückt! Immer kleiner werden die Schrauben.“), verkaufte Herr Eberle Herrn Beyer das einzige 29″-Zoll-Laufrad, das er im Laden hatte und bereits seinem Bruder versprochen war. Zum Glück! Andernfalls wäre es mit dem Rad nicht weiter gegangen. Und welches Vertrauen man in die Bahn stecken darf, durfte der Leser schon weiter oben erfahren. Übrigens, dass Herr Eberle sein Handwerk verstand, bewies er abermals. Beeindruckend schien die Ferndiagnose beim Rad einer alten Dame, die sich beklagte, dass ihr Rad, nachdem es im Radständer gestanden habe, nun „klackere“. Die Diagnose lautete: „Verbiegen der Scheibe der Scheibenbremse durch den Radständer.“ Und Herr Eberle sollte Recht haben.
Mit neuem Laufrad und Elan ging es weiter die Alb hoch und runter. Entlang an Burg Hohenstaufen, der Burg Teck und der Burgruine Reußenstein. Wohingegen die Fränkische Schweiz auf meist 100 bis 150 Höhenmeter Anstieg beschränkt ist, bot die Schwäbische Alb doppelt so lange bzw. hohe Anstiege und damit immer wieder schöne Panoramen. Man hätte meinen können, die Alb sei der große Bruder der Fränkischen.
Die beiden letzten Tage blieben weitestgehend unspektakulär. Zwar hatte Herr Beyer nochmals den Versuch unternommen, geschickt eine Bleite für das nächste Abenteuer einzufädeln und Herrn Schmidt uns sich am Ende eines 175 Kilometer langen Tages in das Verderben bzw. in die Brennesselsackgasse zu führen, doch ließ sich auch diese Herausforderung einfach lösen. Auch die Bedenken von Herrn Schmidt im Hornauer Weiher an einer Fisch- bzw. Jauchenvergiftung, der Geruch war nicht definitiv zu zuordnen, zu verenden, bewahrheiteten sich nicht. So rollten Beyer & Schmidt die verbliebenen 70 Kilometer am Folgetag gemütlich nach Erlangen, um dann nicht an den Erlanger Kellern, wie von den ausländischen Bikepackern favorisiert, einen letzten Stopp einzulegen, sondern sich einer letzten großen kulinarischen Herausforderung zu widmen: Der Pizza in der Osteria da Gianni, am Langen Johann.
Andi
Sehr schön den Graufilter benutzt :P.
Aber wenn i des Dosenbier schon seh… da kann man nur Pech haben!
thewayishappinessblog
In den Plastikradflaschen macht sich das Bier leider auch nicht so gut!
don horsto
fänomenal! das war fast die doppelte bk gedächtnis-tour! mehr dazu mündlich bei nächster gelegenheit. ein neuer (optionaler) chefarzt (ein echter) war seinerzeit (teilweise) auch dabei.
thewayishappinessblog
Chefarztstatus ist wie Neoschwimmerstatus, nach der BZ aus F-Regel: Muss immer vor!