Eine Hommage an die Dot Watchers.

Schreiben wir nicht lange um den heißen Brei: Langstreckenradrennen, die Bikepacking Trans Germany inklusive, sind per se langweilig. Es geht ums Radfahren, Radfahren, Radfahren, Essen, Kacken, Schlafen und Radfahren. Das Pinkeln kann sich der geübte Langstreckenfahrer weitestgehend sparen, wenn es ihm gelingt, die Flüssigkeitseinfuhr mit der Perspiratio in Balance zu halten. Nicht, dass das gut für die Nierenfunktion wäre, aber es spart Zeit. Ja, Ch. Beyer hört den BZ aus F schon mahnen, man könne auch auf oder vom dem Rad gut pinkeln. Es gäbe da exzellente Techniken. Und Ch. Beyer meint, dass wird schon so sein. Nur tun ihm schon allein beim Gedanken an erdenkliche Malheure, die bei einem derartigen Manöver geschehen können, die äußeren Fortpflanzungsorgane weh.

Doch zurück zum Ausgangspunkt. Verglichen zu klassischen Radtouren auf der Straße oder über Stock und Stein, wo immer wieder Zeit zum Entdecken und Erleben bleibt, bieten Langstreckenrennen wenig Abwechslung. Ganz anders verhält es sich aber anscheinend im Verfolgen derartiger Langstreckenrennen: Während bei Ch. Beyer und seinem Companion Ben Steurbaut die mittag- und nachmittäglichen Stunden kaum vergehen wollten, liefen bei den Dot Watchers die Leitungen heiß. Da wurden die Punkte verfolgt, das Replay fünfmal betätigt, kommentiert, diskutiert und heißt spekuliert. Und das im Sekundentakt. Nicht das Ch. Beyer das während des Rennens hätte mitbekommen können, denn er hielt es mit den Größen seines Sportes Mike Hall und Kristof Allegaert und konzentrierte sich darauf, die Kurbel immer und immer wieder herumzuwuchten. Das Mobiltelefon blieb derweil im Flugmodus. Nur während des kurzen Aufenthalts am Erlanger Dönerladen und nach Ende des Rennens in der Rennnachbesprechung mit den Freunden und Gefährten, erfuhr er von den eifrigen Onlineaktivitäten der Dot Watcher Community.

Und das, liebe Leserinnen und Leser, erfüllte ihn mit Freude und Stolz. Ganz ehrlich, manchmal überlegte er, ob es retrospektiv nicht auf der anderen Seite, der Virtuellen, der bei den Dot Watchers, spannender gewesen wäre als die Bikepacking Trans Germany in echt zu fahren. Beispielshaft wurden Ch. Beyer folgende Geschichten aus der Dot Watcher Community zugetragen:

  • Einige Dot Watchers hätten nächtliche Toilettengänge dazu genutzt, den aktuellen Rennverlauf zu verfolgen. Eigentlich hätten sie gar nicht aufs Klo gemusst.
  • Das Team 4WeizenCycling, selbst auf großer Tour in den französischen Alpen, wäre an den großen Alpenpässen mehr mit der Verfolgung der Online-Punkte beschäftigt als mit der Verfolgung auserwählter Konkurrenten. Wie sonst hätte Ihnen Simon Geschke, Team Sunweb, auf der Abfahrt davon fahren können.
  • Heiß diskutiert wurde eine Szene an einem Supermarkt in Fürstenwalde: Der Ch. Beyer-Punkt und der Ben Steurbaut-Punkt lagen 15 m auseinander. Die Hypothese war, dass sich die beiden hätten nicht mehr riechen können, was im weitesten Sinne stimmte. Als Ch. Beyer nach der zweiten Einkaufsrunde den Supermarkt verließ, vermisste er seinen Companion, dessen Rad noch vor Ort stand. Er guckte ums Eck und sah Ben Steurbaut im Gebüsch sitzen. Dieser hatte ein entspanntes Lächeln aufgesetzt und winkte mit einer Rolle Klopapier.
  • BK auf F, nachdem er maßgeblich am Aufspüren von Ch. Beyer und Ben Steurbaut um und in Erlangen beteiligt war, hätte sich am darauf folgenden Tag mit dem Auto auf die Suche des Drittplatzierten gemacht, was er erst nach einer Stunde Erfolglosigkeit aufgegeben habe.
  • Selbst in der Chefarzt-Whatsapp-Gruppe liefen stetig Beiträge ein, wo man doch meinen könnte, dass diese Dot Watchers nun wirklich Besseres zu tun gehabt hätten.
  • Teilnehmer eines Kursus für Palliativmedizin in Nürnberg hätten mehr vom Rennverlauf als vom Kursinhalt mitbekommen.
  • Auch an einer Nürnberger Schule hätte sich das Lehrerkollegium um einen Rechner versammelt, nachdem AS aus E seinen Kollegen erklärt hatte, worum es ging und dass er das humane Äquivlant zu einem dieser Punkte sehr gut kenne.

Ch. Beyer ist ehrlich. Gänzlich kann er sich diese Welle der Begeisterung noch nicht erklären. Er fragt sich, ob dieses Punkteverfolgen, was die mediale Abdeckung des Sportevents aufs Wesentlichste reduziert, der „Generation Whatsapp“ irgendwie entgegen kommt. Eine Liveübertragung in Bild und Ton böte doch viel mehr. Oder ist es gerade die Reduktion der Information, die es dem Dot Watcher erlaubt, seinen eigenen Gedanken freien Lauf zu lassen und die Bewegung der Punkte wie ein Schamane zu deuten. Verhält es sich analog zum Lesen eines guten Buches, wo der Phantasie des Lesers viel mehr Freiheitsgrade eingeräumt werden, als der Phantasie des Kinobesuchers, der die entsprechende Verfilmung sieht?

Eines ist sich Ch. Beyer jedoch ziemlich sicher. Einige Vorreiter unter den Dot Watchers, die Dot Watchers der ersten Stunde, beziehungsweise die „First Followers“, haben das Rad erst richtig ins Rollen gebracht. Sie haben die Punktewolke einiger Verrückter in ein geniales Sportevent gewandelt. Ihnen gilt ganz besonderer Dank. Und ehe Ch. Beyer versucht, die bedeutende Rolle der „First Followers“ zu erklären, möchte er auf folgenden exzellenten TED Talk verweisen. Unbedingt sehenswert!

 

Ganz generell möchte Ch. Beyer an dieser Stelle großen Dank an alle Dot Watchers richten. Genauso gilt Ch. Beyers Dank auch seinen treuen Lesern und Kommentatoren. Den Freunden und der Familie. Ja, also quasi allen gilt sein Dank. Doch das ist nicht trivial! Gerade die Ideen für das nächste Microadventure, sowie die Inspirationen für nächsten Beitrag auf dieser Seite stammen häufig aus jenem Umfeld. Ch. Beyer hofft, dass es den Ideengebern klar ist, dass er sich erst den Kopf über diese neuen Eingebungen zerbricht, ehe er sie hier online beleuchtet. Ch. Beyer weiß es sehr zu schätzen, dass er sich nicht im geistigen Niemandsland herumtreibt, sondern in einem Garten Eden vieler kreativer Köpfe.

Zuletzt hofft Ch. Beyer, dass sich der ein oder andere Dot Watcher oder Leser ein Scheibchen Motivation und Inspiration von den hier vorgestellten Microadventures abschneiden kann. Es muss nicht die Bikepacking Trans Germany 2019 werden, aber vielleicht das zusätzliche Schleifchen auf der nächsten Radtour, der zusätzliche Kilometer beim Waldlauf oder die nächste Nacht unter den Sternen.

 

One Comment

  1. Siglinde Beyer

    Hallo Großer,
    jetzt kannst Du Dich wieder auf die wirklich wichtigen Dingen in Deinem Leben konzentrieren. Radfahren,Radfahren,radfahren
    Die Hochzeit Deines Bruders ist vorbei und du musst Dich nicht mehr mit so banalen Dingen beschäftigen, sondern kannst z.B. die Technik des Pinkelns auf dem Fahrrad weiter verfolgen.
    Aber sei froh daß Dich deine Family manchmal auf den Boden des Alltäglichen zurückholt,
    Aber nur manchmal.
    Liebe Grüße Mutti
    aber eben nur manchmal.

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