Sir Vival.

Rüdiger Nieberg hat den Titel erhalten, unter anderem dafür, dass er sich nur mit einer Unterhose bekleidet in den Amazonas hat aussetzen lassen – vielleicht war es auch ohne, da mag mir mein Gedächtnis einen Strich durch die Rechnung machen. Nach drei Wochen in Chile hätte ich diesen Titel auch verdient, zumindest als Sir Vival Jr. Es folgen die schwerwiegendsten Gefahren, denen ich bislang ausgesetzt war:

– Verdursten: Der Firma Ortlieb sei Dank. Mit einem 10 Liter Wassersack lässt es sich lange radeln. Außerdem kann man die Kraftwagenfahrer angraben.

– Soroche, die Höhenkrankheit. Die 4500 Höhenmeter habe ich erstaunlich gut verkraftet. Pharmakologisch gerüstet war ich auch: Dexamethason für das Hirnödem, auch wenn unklar ist, ob es wirkt. Francesco wollte an einer Placebo-kontrollieren Studie am Monte Rosa-Massiv teilnehmen. Gesucht waren jedoch Probanden, die die Höhenkrankheit schon einmal gehabt hatten, und Francesco flog somit raus. Für das Lungenödem werden Vorlastsenker verwendet. Die funktionieren auch tatsächlich, und zwar ähnlich wie beim Lungenhochdruck. Dabei hatte ich Nifedipin. Viagra wäre auch gut gegangen, nur wollte ich mir diesen Blick in der Apotheke ersparen.

– Reisediarrhoen: Reichen meist nicht, um jemanden um die Ecke zu bringen, aber können einen den Trip ordentlich versauen. Wasser aus den Flaschen und Essen aus der Packung, damit ging es bislang gut.

– Verhungern: Bei meinem aktuellen Umsatz, wenn es so weiter ginge, vielleicht gar möglich. Kuky sei Dank; noch kann ich den Energiehaushalt ausgeglichen bilanzieren. Zunehmend entdecke ich Sandwiches und Empanadas, womit die Gefahren für den vorhergehenden Punkt wiederum steigen. Aber irgendeinen Tod muss man ja sterben.

– Last and worst: Homo sapiens chilenicus in autobus: In Deutschland fahre ich mit dem Rad bewusst nicht auf dem Seitenstreifen, sondern ein schönes Stück weit auf der  Straße. Die deutschen Autofahrer bremsen und überholen, wenn der Gegenverkehr passiert ist. Für Chile gilt diese Regel NICHT! Ausrufezeichen! NICHT! Hatte ich auf der Autobahn noch einen eigenen breiten Seitenstreifen, so besteht auf den Land- und Stadtstraßen bei minimalen Rand höchste Gefahr über den Haufen gefahren zu werden. Hatten die LKW- und Busfahrer auf der Ruta 5 immer Zeit für ein aufmunterndes Hupkonzert, scheinen sie jetzt stets in Verzug zu sein. Noch habe ich zwei Tage Radpause, ehe ich von Valparaiso aufbreche. Wenn das Radeln dann nicht rasch sicherer wird, dann fahre ich bis Temuco entspannt auf der Autobahn. Langeweile hin oder her.

Damit stellt sich natürlich die Frage, ob sich der ganze Stess mit rein und raus aus Valparaiso auf Land- und Stadtstraßen lohnt. Ja, das tut es allerdings. Valparaiso ist wunderschön. Marode schön. Ein wenig wie Lissabon, was in Europa gerade gehypt wird. Nur frecher, frecher in allen Belangen! Da ich sonst nur etwas vom Radfahren verstehe und wenig von Städten, überlasse ich dem Leser, sich auf den Bildern selbst einen Eindruck zu verschaffen.

 

2 Comments

  1. Peter

    Der kleine Radler Nimmersatt… 😀

    Die Raupe zum Schmetterling.
    Der Radler zum ..?

    Wirklich schöne Bilder und illustre Worte. Danke Dir sehr für diese „Mitreise“-Eindrücke!
    Zu den Bildern: ¿Dónde está la gente?
    Fliehen sie vor dem verschwitzen kleinen Radler?
    Oder hast Du sie verspeist, als Kuky im Nachbrenner zur Neige ging? 😉

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