Meine neuen Freunde.

Achtung, Achtung, Hinweis: Der visuell veranlagte, photophile Leser möge bitte den soeben erstellten Eintrag mit Skurrilitäten vom Wegesrand beachten, der weiter unten zu finden ist.

Ansonsten darf ich vorstellen: Christian, Michael und Leonardo, meine neuen Freunde, die mich mit Pan, Carne, Cerveza und netten Gesprächen unterstützten. Weiter vorne, im Handlungsstrang, hatte ich überlegt, wie ich die 270 Kilometer von Concepcion nach Temuco aufteilen könnte. Ein Campingplatz war für Angol eingezeichnet, sowohl bei Google als auch OSM (Open Street Map) nach 147 Kilometern, der andere in dem kleinen Ort Ercilla an der Ruta 5, nach circa 185 Kilometern und nur auf Google. Was das wohl zu bedeuten hätte?

Ganz spontan, die Leserschaft kennt mich mittlerweile, entschied ich mich nach 147 Kilometern noch ein weiter zu Variante 2 zu fahren. Ich war gut vorbereitet und hatte einen Screenshot von der Google-Karte gemacht. Das Schlimmste schien schon überstanden, den gegen halb vier sollte das Thermometer sich allmählich wieder gen Normalwerte bewegen. Alles im Lot, also!

Gegen halb sechs, im Ort Ercilla, ein verschlafenes Nest, angekommen, war auf der Willkommenstafel tatsächlich ein Zelt zu finden. Ich fuhr zum Gemüse- und Obsthändler und kaufte Tomaten und Bananen. Alles anderem schien die Hitze nicht bekommen zu haben. Da erkundigte ich mich, ich erinnere an das Dreiwortspanisch, nach einem Camping und zeigte auf den Screenshot. Der Händler gab an, das er keine Ahnung habe. Erst der hinzugezogene Kumpel erzählte irgendetwas von „dort nicht, aber erst links, dann vier Blöcke geradeaus, dann Fluss mit Brücke, dann irgendetwas.“ Gut, ich konnte mich dem Ziel näheren. Einen Rasenmähermann habe ich als nächstes gefragt. „Ja, weiter oben in Richtung der Ruta 5, circa 4 Kilometer von hier. Im Ort gäbe es auch eine Unterkunft.“ Weiter wollte ich zunächst das Camping suchen. Und tatsächlich war einen Kilometer später ein Schild hinter einem Strauch zu sehen: „Camping in circa 2,5 Kilometern“. Es ging über ein Bahngleis. Ein Zug war in näherer Ferne zu erkennen, aber er kam nicht. Dann ausgewaschener Schotterweg. Ich rechnete schon damit, dass es auf Schotter länger dauern würde. Nach einer kurzen Weile wurden die Schläge am Hinterrad immer härter, und der prüfenden Blick verriet einen zunehmenden Plattfuß. Ich versuchte das Camping noch rasch zu erreichen, ich müsste ja fast dort sein, erst noch fahrend, dann schiebend, um das Hinterrad zu entlasten. Es half nichts. Die Luft entwich und ich musste den Schlauch wechseln oder flicken, um mir nicht Schlauch, Mantel oder gar Felge zu ruinieren. Mit dem Gepäck am Hinterrad ist das eben so eine Sache! Rasch ging der Mantel herunter, der Schlauch heraus und das Loch war zu identifizieren, um nach Vulkanisieren einen Flicken drauf zu pappen. Der Übeltäter war ein dünner Metalldorn, der sich entfernen ließ. Dann ging jedoch das Gefrette los: Ein Schwalbe Marathon eben! Nach einem zerbrochenen Reifenheber, viel Kraftaufwand und noch mehr Gefluche konnte ich weitereiern. Ich fuhr an einem Bauernhof, und wurde von den Hunden begrüßt: Freundlich? Die Hunde verstehe ich noch weniger als die Chilenen. Zumindest bissen sie nicht. Ein älteres Bauernpaar wollte dann auch noch allerhand prüfend wissen, ehe es weiterging. Nach sechs, anstatt 2,5 Kilometern, war ich gegen sieben endlich angekommen. Verflucht hatte ich meine Entscheidung weiterzufahren, bis dato, unzählige Male.

Bis dato! Der Campingplatz war wunderschön an einem Fluss gelegen. Touristen verirrten sich hierher nicht, oder kaum. Die Einheimischen nutzten den Platz zum Grillen und Angeln. So auch eine Familie mit zwei Halbwüchsigen und zwei Dreiviertelwüchsige. Die Halbwüchsigen fanden sofort Interesse an mir und halfen beim Zeltaufbau und beim Kochen. Ob Hilfe oder Last; ich hatte Schwierigkeiten es nach 195 Kilometern abends um sieben mit mir auszumachen. Die Dreiviertelwüchsigen waren beim Angeln erfolgreich und wollten mir die Kleinere zweier Forellen schenken. Ich musste ablehnen, natürlich, da mir das Fisch-Zusatzset für meinen Trangia-Kocher fehlt, der nur auf Pasta und Reis ausgelegt ist. Bald verschwanden die beiden Gruppen und ich machte mich auf einen Abend in trauter Zweisamkeit mit meinem Kopf und mir bereit – ehe eben Christian, Michael und Leonardo eintrafen.

In einem orientierenden Gespräch – irgendwie muss man ja abklären, ob man den Menschen trauen kann oder sein Zelt besser wieder abbaut – erwiesen sie sich als sehr nett. Darüberhinaus hatte die Polizeimarke von Christian durchaus einen beruhigenden Einfluss. Die drei, 30, 33 und 22 Jahre alt, Freunde, wollten die Nacht angeln. Wieso, habe ich nicht verstanden, denn sie hatten Fleisch und Bier für eine ganze, nicht nur halbe!, Fußballmannschaft für drei Tage dabei. Für mich wars gut. Nach 500 Gramm Nudeln und ein wenig Reiß, sorgten Brot, Michael war übrigens Bäcker, Rind und Hähnchen, mit etwas Bier gespült dafür, dass ich sehr, sehr gut schlafen konnte. Und natürlich tat das auch die Polizeimarke! Versprochen hatten mir die drei auch eine Wegzehrung für den nächsten Tag. Und in der Tat hatten sie Brot und zwei Händchenschlegel über gelassen.

Über diesen nächsten Tag gäbe es noch viel zu berichten. Da der Zimmernachbar scheinbar zum Schnarchen aufhört, kann ich es kurz machen: Hähnchen und Brot nach 15 Kilometer Fahrt verspeist. Hungerast bei Kilometer 55 mit zwei Eis, einer Packung Kekse und einem Liter Sprite geheilt. Von einem Triathleten mit nicht nur dicken Waden auf Zeitfahrrad kurz vor der rettenden Pause überholt. Georgia and Brody,  zwei Australier, die vor drei Tagen gestartet sind bei der nächsten Pause bei Copec bei Kilometer 75 eingesammelt. Gemeinsam nach Temuco geradelt und Quartier bezogen. Dann Erleuchtungen, ja gleich mehrere beim Einkaufen: Neue Reifenheber, die fehlende Touristelkarte, die ich zwei Wochen gesucht habe, und einen Ersatzgriff für meinen Topf, den ich drei Wochen gesucht habe. Alles in weniger als 45 Minuten. Ich meine, im Trekking-Touring-Schlaraffenland zu sein, oder zumindest sehr nah. Aber Schluss jetzt, auch wenn…, Schluss jetzt!

 

 

 

4 Comments

  1. Mutti

    Guten Morgen,
    Dir scheints ja richtig gut zu gehen bis auf die kleinen Unannehmlichkeiten zwecks Fahrrad und Griff vom Topf.
    Aber das sind ja nurBanalitäten. Deinen Bruder habe ich am Samstag zum legendären „Getting Tough“.
    begleitet. Lauter Verrückte !!!!!!!!! Hat aber super toll abgeschnitten.
    Liebe Grüße Mutti

  2. Rita

    Hi Christian!
    Klasse, von Dir so viel zu hören und zu sehen! Und dabei scheint die Tour auch noch gut zu sein 😉 Ist dann doch kein Anzeichen für wenig Freude am Reisen. Viel Spaß weiterhin und dass Dir noch zahlreiche nette Menschen begegnen werden! Liebe Grüße Rita

  3. benno k.

    die plattfußgeschichte…schrecklich! da kann man sich aufregen! aber schöööööner ausklang mit den jungs, ach herrlich von dir zu lesen!

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