Anabole Tage.

Der Radfahrer musste innerhalb der vergangenen eineinhalb Stunden hier vorbeigekommen sein. Reifenspuren waren auf Asphalt nicht zu erkennen. Jedenfalls war die Bananenschale noch frisch, schön gelb mit einem Hauch an Grün. Höchstens 90 Minuten. Eine längere Latenz hätte bei den warmen äußeren Witterungsverhältnissen die Schale schon bräunlich verfärbt. Doch wie konnte das sein? Früh bin ich aufgebrochen in Puerto Montt. Schnell war ich zwar nicht, aber getrödelt habe ich nun auch nicht. Überholt hat mich niemand. Also gut, ich musste der Fährte nachfahren!

Bevor es im Text weitergeht, muss der Autor den Titel ins rechte Licht rücken. Mit „Lance Armstrong-Technik“ adaptieren, im letzten Blog, nahm der Autor ausschließlich auf die Kadenz Bezug – eine kleine Hommage an den Tony bei Eurosport! – um Material schonend zu behandeln. Extraphysiologische, pharmazeutische Maßnahmen waren und sind ausgeschlossen. Pickel und Impotenz findet der Autor unattraktiv, ebenso eine mögliche verbesserte Regeneration durch Anabolikamissbrauch. Der Autor schätzt sehr wohl die Nachwehen der Anstrengungen des Vortages. Sie stützen das gute Gefühl, etwas geleistet zu haben.

Trotz Ruhetages in Puerto Montt, um nun beide Handlungsstränge zusammenzuführen, waren die Beine auf dem Weg nach Chilhoe noch Matsch: Gutes Gefühl in den vergangenen Tagen etwas geleistet zunhaben! Gleichzeitig bestand ausnahmsweise keine Zeitnot. Vier Tage hatte, beziehungsweise habe ich um 270 Kilometer von Puerto Montt nach Quellon zu radeln, wo mich eine Fähre nach Chaiten auf den Kontinent zurückbringen wird. Zweihundertsiebzig Kilometer Asphalt und circa 2000 Höhenmeter. Da blieb ausreichend Zeit, Hostales aufzusuchen, dort die Frühstücksbüffets wahrzunehmen und auf dem Weg noch Brotzeitpausen einzulegen: Anabolismus pur, das heißt, die positive Energiebilanz steht!

Außerdem blieb Zeit, sich mit Bananenschalen auf dem Weg auseinanderzusetzen. Und ich sollte am Ende des Tages gar richtig liegen! Als ich nach 90 Kilometern mein Rad an dem schönen Hostales Nuevo Mundo in Ancud abstellte, kam mir Olivier mit roten Ortliebtaschen aus Frankreich entgegen. Also nicht direkt aus Frankreich, was dem Leser vom Fach klar sein sollte. Er war an diesem Tage in Pargua gestartet, wo Fähre vom Festland nach Chiloe ablegt, 50 Kilometer nach Puerto Montt. Örtlich war er also vor mir gestartet und erst am Tagesziel hatte ich ihn eingeholt. Unterwegs hat er eine Banane vertilgt, kurz bevor ich dort vorbeikam.

Leider war Ancud nicht Olivier’s Tagesziel, sondern er fuhr ein wenig weiter. Zum Glück traf ich am Hostales auf Verena aus der Schweiz und einen jungen Niederländer. Gerade mit Verena entwickelte sich eine spannende Unterhaltung. Sie hatte als Alleinreisende mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen. Vor allem die „Tote Hose“-Phase mit null Touristen, die noch an etlichen Ferienorten Chiles vorherrschte, machte uns zu schaffen. Viele Sehenswürdigkeiten waren wohl zudem geschlossen. Da hatte ich es leichter, da das Radfahren zumindest große Teile des Tages füllen kann und meist nur minder Bestrebungen bestehen, Museen oder Kirchen oder andere Sehenswürdigkeiten zunbesuchen. Auch bei Ihr besteht nun Hoffnung auf Änderung; ob es Besserung wird, wird sich noch herausstellen: Verena fliegt für ein paar Tage in das jetzt schon für Monate hoffnungslos ausgebuchte Patagonien und kehrt dann nach Bariloche zurück, wo zumindest die Backpacker anzutreffen sind.

Der junge Niederländer berichtete mit Stolz, und auch gar nicht mit Unrecht, dass er mit seinem Minimietwagen Teile der Careterra Austral gefahren ist. Für besseren Grip habe er etwas Luft aus den Reifen des kleinen Dinges mit Frontantrieb abgelassen. Er zeigte mir Bilder, wie er mit dem Gefährt auf einer der Fähren zwischen den vielen 4×4 Jeeps stand. Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich eng beisammen und Verrücktheit geht fließend in Wahnsinn über. Ich glaube jedoch, er hatte die Situation jederzeit gut im Griff. Und im Zweifelsfalle für den Angeklagten: Clevere Verrücktheit.

Zum Schluss, da es sich wie ein roter Faden durch meine Reise zieht, eine Hommage an die chilenischen Unterkünfte. Die Hostales in Chile sind bislang allesamt nett und super und eine gute Alternative zum Zelt, gerade in den Ortschaften und Städten. In Puerto Montt war ich in dem ganz liebevoll geführten Hostales Vista Hermosa untergebracht; das von zwei Schweizern geführte Hostal Nuevo Mundo in Ancud war sehr nett und, natürlich, perfekt organisiert; und das LaMinda Hostel hier in Castro hat erst vor drei Monaten aufgemacht und wird von zwei äußerst engagierten Juniorchefs geführt. Großes Kompliment an Chile!

6 Comments

  1. Mutti

    also schlecht schaust Du ja nicht aus, an Essen scheint es also nicht zu mangeln.
    Auch triffst Du immer wieder annähernd Gleichgesinnte. Sehr unterhaltsam und philosophisch,
    hoffentlich versteht das auch jeder.

  2. Mutti

    Übrigens ein typisch chilenisches Weihnachtsgetränk ist der „Cola de mono“ Affenschwanzgetränk
    heißt das, kannst Du ja mal testen und berichten wie es schmeckt.

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