Warum fahre ich weiter? Schöne Scheibe. Ich fahre nicht einmal. Warum schiebe ich weiter? Schöne Scheibe. Warum zerre ich das Rad durch den Schnee? Warum hebe ich es den Fels hinauf, nur um dann weiter im Schnee zu schieben und zu zerren? Eine schöne Scheibe.
Ahhh, schon wieder rammt sich das Pedal in die Wade. Ahhh, schon wieder bricht der Fuß durch den Schnee in das Schmelzwasser. Ahhh, und nochmal peitscht mir ein Ast ins Gesicht. Ahhh, schöne Scheibe.
Die Wanderer lachen sich wohl einen Ast ab. Schöne Scheibe. Zumindest ist ihnen nicht klar, was ich hier treibe. Jetzt grüßen die auch noch. Schöne Scheibe. Die könnten einen doch in Ruhe lassen. Es sind doch auch sonst keine anderen da. Am Ende stellen sie sich noch an den Wegesrand, um eine Welle zu machen. Die sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst. Schöne Scheibe.
Mittags war Sonne vorausgesagt. Wo bleibt nun diese scheib Sonne. Jetzt ist es gleich 12:30 Uhr. Und immer noch schwimmen die Regenwolken in der Himmelsuppe. Schöne Scheibe. Auf Kachelmann und Co könnte man getrost verzichten, genauso auf Wetter.com. Da kommt auch nur Werbung. Schöne Scheibe.
Schöne Scheibe. Und noch ein Schneefeld. Und noch ein Schneefeld. Dann schiebe ich das Rad zur Abwechslung links von mir. Schöne Scheibe. Ahhh, das Pedal hat sich wieder in die Wade gerammt. Ahhh, ein weiteres Mal mit dem Fuß durch den Schnee ins Schmelzwasser. Ahhh, und noch ein Ast. Schöne Scheibe.
Bis zum Gipfel sind es noch zwei Kilometer. Fast eine halbe Stunde Bergaufschieben im Schnee. Eine schöne Scheibe, sag ich Dir. Und in Frankreich fährt man die zwei Kilometer in vier Minuten. Was soll die Scheibe? Das macht doch keinen Sinn mehr. So kommst Du nie bis Bayreuth.
Schöne Scheibe, ist das, hier. Da fährt doch keine andere Sau Mountainbike. Die Vernünftigen haben schon aufgegeben oder es gleich sein gelassen. Also alle anderen. Jawohl, so eine schöne Scheibe, das tut sich nicht jeder an. Es ist nicht jeder verrückt. Die verkriechen sich lieber auf dem Sofa, Weichduscher und Warmeier. Eine schöne Scheibe.
Eigentlich ist sie ja gar nicht so schlimm, die ganze Scheibe. Noch 500 m bis zum Gipfel. Die Füße bleiben warm, der Anstrengung zu liebe. Zum Glück sind nicht die Downhillpedale am Rad. Da hätte die Wade schon einige hundert Stanzen. Fünfhundert Meter scheiben, nein schieben, so eine Scheibe. Dann wieder hinunter, im Schnee. Schöne Scheibe. Ja komm, gib Gas, noch 400 m. Oben kannst Du ein wenig futtern. Was hast Du noch? Schniggers! Ach nö. So eine Scheibe. Warum hast Du schon das ganze Dwichs gefressen?
Bergab rutscht es besser als gedacht. Und jetzt gar auf der Südseite. Da hat die Sonne ordentlich Löcher in den Schnee gebrannt. Nicht schlecht. Die Schneefelder werden kürzer, wäre nur noch das Wasser. Wurscht: Nous ne sommes pas en sucre. Eine schöne Scheibe, kann ich Dir sagen. Jetzt läuft es wieder, es rollt! Vollgas bergab. Platz da, noch ein paar Wanderer verschreckt. Eine geile Scheibe.
Kurve, Bremsung, Kurve, Bremsung, rum ums Eck, und: Was sagt das Navi? Hier soll es hoch gehen. Hier? Ach nö. Ach du grüne Scheibe. Da ist wieder überall Schnee. Scheibe. Vier Kilometer bis zum Gipfel. In der Region gäbe es vier Qualitätsgolfplätze, heißt es in der Hochglanzbroschüre. Scheibe, kommt nicht in Frage! Die scheiben, nein schieben, Scheibe, doch auch nur ihren Einkaufswagen spazieren und schlagen ein paar Löcher in den Rasen. Kaschmir-Pullover, Seidenhose und Lederschüchen. Porsche, Gold, Diamenten, Langeweile, Affäre, Betrug, Scheidung. Schöne Scheibe. Da bleibst Du lieber beim Radfahren, Scheibe, beim Radschieben. Shimano XT, Federgabel, Carbonrahmen, Dreck, Schweiß, Unvermittelbarkeit, wieso auch, Freizeit, Freiheit, LebensFreude.
Ahhh, Pedal in Wade. Ahhh, Fuß im Schmelzwasser. Ahhh, Ast im Gesicht. Schöne Scheibe. Nein, geile Scheibe. Weiter. Ist doch wurscht, ob Du jetzt vor dem Fernseher verfettest oder hier das Rad durch die Gegend zerrst. Irgendeinen Tod musst Du Sterben. Früher oder später. Dann aber mit Anstand und nicht mit Doppelkinn. So ne Scheibe. Weiter. Ahhh. Weiter. Scheibe. Ahhh. Weiter. Scheibe.
Und das, liebe Leser, könnte Ch. Beyer noch viele Zeilen aus- und fortführen, mehrere Seiten lang, ein ganzes Buch lang, ein Leben lang. Naja, letzteres nun doch nicht: Es tut gut, wenn sich der Innere Dialog dann auch mal wieder ändert.
benoite
mit der scheibe… bisl zu viel scheibe. zwei dreimal rauskürzen. ansonsten: war doch vollgeiles wetter die letzten tage. wo hast du dich wieder rumtrieben wo noch schnee war???
Chuck Beyer
Die Region um Hof wird gerne als“Bayrisch Siberien“ bezeichnet. „Bayrisch Sibieren“ wiederum wird durch das Mittelgebirge Fichtelgebirge vom Rest Bayerns getrennt. Das wäre dann quasi der „Bayrische Ural“. In den Spitzen des „Bayrischen Urals“, insbesondere an der Nordseite, die wiederum „Bayrisch Sibieren“ zugewandt ist, lag in Höhenlagen über 850 Höhenmeter viel Schnee. Natürlich wäre es möglich gewesen, vom Track abzuweichen und etwas südlich in tieferen Regionen die Reise fortzusetzen, natürlich nicht. Es wird gegessen, was auf dem Tisch steht, geschwommen, was auf dem Plan steht, und gefahren, was der Track zeigt. Einzige Ausnahmen sind Schwierigkeitupgrades, eine notwendige Klausel, sonst dürfte Ch. Beyer nicht mehr zum Schwimmen kommen.
Das mit der Scheibe sieht Ch. Beyer dann ein, wenn die Scheibe wörtlich genommen würde. Man könnte die Scheibe aber auch als stilistisches Mittel sehen, so wie in dem Klassiker: Radio PSR Mediamarkt Verarsche. Hier heißt es unter anderem, „Scheibe, die Scheibe!“. Ein weiteres Argument für die Scheibe, ist die Tatsache, dass Kinder „S“-Wörter lieben. Ch. Beyer bemüht sich also schon die Jüngsten an das Lesen von klassischer Literatur heranzuführen. Natürlich ließe sich hier trefflich streiten, ob Ch. Beyer dann nicht lieber Podcasts entwickeln sollte. Schon, aber Ch. Beyer ist eben liebend gern traditionell.
Siglinde Beyer
ja was soll man da noch dazu sagen ?
fällt mir nichts mehr ein ,einfach nur selbst schuld!aber vielleichts kannst Du Dich noch erinnern bei der Saalequelle waren wir schon mal mit Oma und Opa und deinen „kleinen Geschwistern“.
Lang, lang ist`s her. Du wolltest halt nochmal an die Stätten Deiner unbeschwerten Kindheit zurück.
Chuck Beyer
Liebe Mutti, ich finde, mein Leben ist immer noch unbeschwert. Und in Deinen Augen bin ich ja immer noch „Kind“.