Füchungen, nach E. P.

Sinn oder Unsinn des Bloggens. Ich könnte jetzt auch auf der Straße sein und den ein oder anderen Chilenen ein Ohr abknabbern. So sitze ich lieber in einem Hotelzimmer und schreibe an meine liebe, bekannte Onlineleserschaft. Das Bloggen ist momentan mein soziales Fensterchen, zugegebenermaßen ein sehr Kleines. Egal ist mir gar, ob meine Texte mit weniger oder mehr Hingabe gelesen werden, bei der Lachssemmel oder den täglichen Verrichtungen. Mir tut es gut, mich mitzuteilen! Herzlichen Dank, an dieser Stelle an B.Z. aus F. für die wunderbare Anregung!
Die Atacama-Wüste im Norden Chiles ist nicht nur trocken, sondern auch einsam. Touristisch ist die Atacama auch Wüste, abgesehen von dem kleinen Ort San Pedro, dem Backpacker-,Outdoor- und Jack-Wolfskin-Mekka. Dort gibt es nicht nur Fliegen, eine Hommage an die regelmäßige Leserschaft!, sondern auch Radfahrer, viele gar. Gelernt habe ich, diese ließen sich in Cyclo-Touristen und Touro-Cyclisten einteilen; doch dazu vielleicht später einmal. Jedenfalls bietet San Pedro genügend Austausch mit gleichen und ähnlichen Gesinnungen. – ja, es ginge in Ordnung, wenn der ein oder andere Leser „Gesinnungen“ mit „Ver-rückten“ im Kopfe gleichsetzen möchte. Vor zwei Tagen verließ ich nun San Pedro und bin wohl, zumindest für eine Weile, ich gehe von drei Tagen aus, der einzige Ver-rückte in meiner näheren, örtlichen Umgebung.
Zu Papier bringe ich, um zum Kern des Dings zu kommen, was ich in den vergangenen drei Tagen erleben durfte. Die Umstände waren so günstig, dass sie sich gut mit dem Wort „Füchung“, entlehnt von E.P. aus W. beschreiben ließen. Andere Weltbilder könnten diese meine Erlebnisse auch erklären. Die Eröterung solcher führte jedoch im Kontext eines modernen, bildbasierten Blogs zu weit. Nun, derer drei Füchungen sollten es wie folgt sein:
– ein und das Highlight von San Pedro ist das Valle de Luna, also Tal des Mondes. Die einzigartigen Formationen von Sandgestein- und Dünen erweckte im Geiste des Erstbenenners wohl Assoziationen mit der Mondlandschaft. – Ja, ich frage mich gerade auch, ob die damals schon Bilder vom Mond hatten. Nur wer weiß sicher, ob wir die schon haben, also die ganz Echten! – Jedenfalls, scheint es sich gar wundersam zu füchen, bei Sonnenuntergang und aufsteigendem, Voll!-Mond, eben jenes Valle de Luna mit vier Radfreunden zu erkunden. Eine unglaublich Szenerie!
– die Lagunenrute war mir bei meinen Planungen nicht ganz geheuer. – Ich verweise hier freundlicherweise auf meinen letzten Blog. – Daher hatte ich mir die Fahrt nach Calama über die Geysire von El Tatio über 240 Kilometer und insgesamt 3500 Höhenmeter als „“Lagunenrute light“ angelacht. Im Lateinamerika-BikeBuch, kurz LABB, die „Bibel“ der Lateinamerika-Radler, ist ein 13 stündiger Aufstieg mit viel Schieben und Zerren des Rades beschrieben. Nach dem nächtlichen Besuches des Valle de Luna und dem Ausfall meines Smartphone-Weckers, so muss es gewesen sein!, war ein Aufstieg in einem Tag in weite Ferne gerückt. Nur gut, dass das LABB, wie die Bibel selbst, schon ein wenig in die Tage gekommen ist. Es passte mir sehr gut in den Kram, dass ich einen neueren, befestigten und kürzeren Weg nach El Tatio vorfand, so dass ich nach acht Stunden Fahrt noch zu guter Zeit schön ankam. Es folgte ein Bad in den Geyiren, ganz für mich allein. Jack und Wolfskin sind nur vormittags in El Tatio, aufgrund der stärkeren Intensität der Geysire. Danach gab es ein 500 Gramm (trocken) Nudel mit Ketchup-Gericht sowie eine schlaflose Nacht. Dieses Mal war es ganz sicher der Anstrengung zuzuschulden, und nicht der Höhe, da die Kopfschmerzen ausblieben.
– dass ich meine Chile-Reise nicht ausschließlich mit dem Rad bewältigen könnte, damit habe ich mich bereits abgefunden. Gewissermaßen froh bin ich darüber, denn diese Tatsache erspart mir sechs bis acht weitere Tage Wüsteneinsamkeit. Ja, auch mir genügen nun die noch anstehenden drei; ich bin genügsam geworden. Wie, wann und wo ich nun einen Teil der Strecke mit motorisierten Fortbewegungsmitteln überbrücken würde, darüber konnte ich mir auf der acht stündigen Radfahrt von El Tatio nach Calama Gedanken machen. Unterbrochen wurden diese Gedankenzüge lediglich durch einen defekten Ortlieb-Backroller – Kabelbinder sind etwas Sensationelles! – und 45 Kilometer Gegenwind- bzw. Sturm nach Calama, mit 10er Schnitt trotz leicht abfallender Straße. Die Gedankenzüge resultierten schließlich in Fernbus, nach Copiapo, mittig zwischen Calama und Santiago gelegen, und am Besten am Folgetag. In Calama angekommen steuerte ich mir nacheinander die beiden mir bekannten Copec-Tankstellen an, da es dort Hotdogs und Cola im Angebot gab. Die Überlegungen waren identisch zu einem MacDo-Besuch, nachdem mir meine Radlfeunde zuletzt noch von Montezumas Rache berichtet hatten. Ausgebrannt und teilgestärkt kassierte ich dann bei TurBus, dem chilenische Langstreckenbusplatzhirsch, eine klare Absage. Nicht mit Rad. Bei Pullman war es dann relativ: hänge vom „Chofer“ ab, der nach Ausbuchung entscheide. Der nächste Bus nach Copiapo ginge um 17:20 Uhr, also in einer Stunde! Ab dato setzte ich alles auf eine Karte, denn wer hätte gewusst, ob es am nächsten Tag besser gegangen wäre: ich bereitete das Rad vor: Sättel ab, Pedale ab, Lenker quer, Vorderad raus; stopfte noch Fanta und Süßkram vom Kiosk in mich hinein; und versuchte mit meinem charmanten Dreiwortspanisch die Kassierin von Pullman für mich zu gewinnen. Zwischendurch noch Katzenwäsche mit einer Radflasche „agua sin gaz“: Ja Bernd, es geht, jedoch nur wenn es sein muss! Völlig fertig, versandet, durchgeschwitzt und stinkend hatte der Busfahrer tatsächlich ein Herz für mich. Neun Stunden später, gegen 4 Uhr nachts kam ich schließlich in Copiapo an und steuerte, nachdem mir das Navi keinen Campingplatz vorgab, das nächst beste Hotel, die Vitrali Suite an. Ja, ich musste für die restlichen zwei Stunden Nacht noch bezahlen sowie für die nun kommende, und ja, es liegt über dem gewünschten Budget. Dafür kann ich mir aber auch schon wieder vorstellen, morgen Rad zu fahren.
Mein Wunsch war ein Abenteuer. Es war unangenehm durchlebt zu werden, besonders für meine Reisebus-Sitznachbarin! Jetzt ist es wunderschön, darauf zurückblicken zu können, und sich zu freuen, dass sich alles bestens gefücht hat.

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