Ch. Beyer ist hinten dran. Eigentlich hätten auf Radness.de schon mindestens drei neue Beiträge erscheinen müssen. Jedoch war Ch. Beyer anderweitig beschäftigt: Er musste trainieren, trainieren und nochmals trainieren. No pain, no gain! – liebe Leserinnen und Leser, Sie wissen es doch. Doch lassen Sie uns mit den wichtigsten Informationen beginnen, um dann evtl. die weniger wichtigen Erinnerungen noch ganz oder teilweise aufzurollen.
Ab nächsten Samstag um 16:00 Uhr ist es wieder so weit! Dann, liebe Leserinnen und Leser, können Sie sich wieder mit Dot-Watching beschäftigen. Die Ihnen bekannte Plattform Followmychallenge.com wird vom Alpes Divide berichten, einem Nonstopp-Radrennen von Menton am Mittelmeer nach Thonon-les-Bains am Genfer See. Und, vermutlich können Sie sich das schon denken, Ch. Beyer wird am Start stehen. Alle wichtigen Informationen und das Dot-Watching finden Sie hier: https://alpsdivide.com/
Nachdem Ch. Beyer in den vergangenen beiden Jahren an keinem Nonstopp-Rennen mehr teilgenommen hatte und die letzten beiden Rennen abgebrochen hatte, möchte er Ihnen nochmals einige Basisinformationen mitgeben (1) Dot-Watching ist wie Social Media: Nutzen Sie es am Besten auf dem Klo, damit Sie keine unnötige Zeit vergeuden. Watchen Sie aber bitte nie am Steuer, denn am Ende überfahren Sie nur einen verrückten Nonstopp-Radler, der nach schlaflosen Nächten den Straßenrand doppelt sieht. (2) Achten Sie bitte auf Ihren Schlaf. Auch wenn die Nonstopp-Radler durch Tag und Nacht radeln, müssen es Sie ihnen nicht gleich tun. Schlafen ist wichtig und gesund und nur weil die Nonstopp-Radler meinen, Mutter Natur überlisten zu müssen, sollten Sie das nicht tun. (3) Vergessen Sie nicht zu Essen und zu Trinken, aber übertreiben Sie es auch nicht damit. Übermäßiger Stress durch Bildschirmzeit kann die Cortisol-Ausschüttung fördern. Um dieses wieder herunterzuregulieren, bedient sich der Körper des Cortisol-Gegenspielers Insulin. Und was meinen Sie, wie kann man das Insulin in die Höhe treiben? Jawohl, in dem man ordentlich Süßkram vertilgt. Es besteht die Gefahr der Dot-Watching-induzierten Adipositas. (4) Dot-Watching ist ein Ausdauersport und dauert meist mehrere Tage. Von daher teilen Sie es sich bitte gut ein. Entgegen dem Vorgehen bei vergangenen Nonstopp-Rennen möchte Ch. Beyer den Genussfaktor mehr in den Vordergrund rücken, länger schlafen, mehr essen und häufiger Zähneputzen. Er hat gar vor, regelmäßig Campingplätze mit einer Dusche anzusteuern. Jaja, Sie haben es schon erfasst, Ch. Beyer wird eben älter. (5) Dabeisein ist alles. Liebe Leserinnen und Leser, Sie können durch die längste oder intensivste Bildschirmzeit nichts gewinnen, gar nichts! Seien Sie einfach am Start und das im rechten Maß. Das wird für den Alpes Divide auch Ch. Beyers Minimalziel werden. Auch wenn es abgedroschen klingen mag, wenn ihn die Deutsche Bahn und Trenitalia innerhalb der geplanten 48 h Anreisezeit an den Startort Menton bringen werden, darf er schon höchstzufrieden sein. Das ist übrigens kein Scherz, höchstens bitterster Sarkasmus!
Auch wenn Ch. Beyer den Genuss in den Vordergrund stellen möchte, wird der Alpes Divide mit einigen Strapazen einhergehen. Insgesamt 1040 Kilometer und 34.000 Höhenmeter in 7 bis 8 Tagen werden sicherlich Spuren hinterlassen. Ch. Beyer freut sich besonders auf die erste Hälfte der Route, auf die Via del Sal und den Col de la Bonnette. Ab dem Colle de Sommeiller und dem Col de la Roue wird der Spaß aber vermutlich vorbei sein. Egal, die Berge und Pässe zwischen dem Mittelmeer und dem Genfer See sind Ch. Beyer ans Herzen gewachsen. Es ist seine Lieblingsvelogegend und was auch immer der Alpes Divide auch immer bringen wird, so wird sich Ch. Beyer riesig darauf freuen, einmal mehr in der französisch-italienischen Grenzregion unterwegs zu sein.
Trainiert hat Ch. Beyer in den letzten drei Monaten übrigens sehr fleißig: Zweimal war er auch auf Probe-Bikepacking und wenn ihn nicht eine saubere Gastroenteritis aus der Bahn geworfen hätte, wäre er wohl noch ein weiteres Mal unterwegs gewesen. Über genau diese drei Erlebnisse möchte Ch. Beyer im Folgenden noch kurz berichten:
(1) Das erste Bikepacking-Abenteuer fand bereits Ende Juli statt. Ch. Beyer folgte der 2023er Route der Bayrisch Lettn, die eine schöne Gravel-Route durch den Bayerischen und Böhmischen Wald gelegt hatten. Start- und Ziel waren in Cham, zumindest formal, denn Ch. Beyer musste ganz kurzfristig und wieder einmal völlig überraschend zunächst von Erlangen nach Nürnberg radeln, ehe es mit dem Zug weiter nach Cham ging. Dass Züge gelegentlich oder häufig ausfallen, ist Ch. Beyer ja schon gewohnt. Die Art und Weise, wie die Deutsche Bahn diese Ausfälle bisweilen ankündigt, ist ganz schön abstrus. Um 6:10 Uhr morgens hatte Ch. Beyer den Zug, der um 6:30 Uhr abfahren sollte, gebucht, um nur fünf Minuten später im DB Navigator per Push-Nachricht informiert zu werden, dass die Verbindung zwischen Erlangen und Nürnberg ausfalle. Also bitte! Der Zug war in Saalfeld schon eineinhalb Stunden zuvor los gerollt und dann soll der Bahn bis 15 min vor Abfahrt nicht klar gewesen sein, dass er ab Erlangen nicht weiterfahre. Wer soll sich da nicht verarscht vorkommen?
Die Route, die sich die Organisatoren der Bayrisch Lettn ausgedacht hatten, war dafür aber Entschädigung genug. In einer liegenden Acht mit dem Schnittpunkt Bayerisch Eisenstein ging es von Deutschland in die Tschechische Republik und dann mehrere Male hin und zurück. Wie zu erwarten war die Landschaft durch die Grenze nicht unterbrochen und die dichten Nadelwälder reihten sich nahtlos aneinander. Das Publikum war jedoch sehr verschieden. Auf deutscher Seite fanden sich viele E-Biker im gehobenen Alter, und vermutlich, mit gefüllter Reisekasse. Auf tschechischer Seite begegnete Ch. Beyer vielmehr jungen Backpackern, die fleißig auf mehr oder weniger offiziellen Campingplätzen und Unterständen ihre Nachtquartiere aufschlugen. Hieran fand Ch. Beyer natürlich großen Gefallen.
Ch. Beyer selbst hatte mit seiner Bushaltestelle kein so großes Glück. Auf der Karte sah sie eigentlich perfekt aus. Die Bushaltestelle lag an einer kleinen Nebenstraße wenige Kilometer außerhalb einer kleinen Stadt. Es las sich wie eine ruhige Nacht. Doch dem war leider nicht so: Auch nach 23 Uhr, als sich Ch. Beyer hingelegt hatte, rasten die Waldler noch mit Autos, Motorrädern und Fahrrädern vorbei. Zwei schnatternde Mountainbiker gegen 0 Uhr: Man stelle sich das mal vor!
Auch kulinarisch war die Bayerisch Lettn für Ch. Beyer zunächst sehr eintönig, auch wenn er die verschiedenen Energieriegel fleißig wechselte. Erst am zweiten Tag fand er in verschiedenen Bäckereien einige vernünftige Stücke Kuchen. Das hob das Energieniveau und die Stimmung zugleich. Irgendwie schien er in den vergangenen beiden Jahren vergessen zu haben, dass man bei Bikepacking Rennen durchaus Essen stopfen muss, um das Kaloriendefizit in Grenzen zu halten. Die App berechnete für beide Tage mit jeweils circa 200 Kilometer und jeweils circa 4000 Höhenmeter circa 10 000 zusätzlich verbrauchte Kalorien pro Tag. Dabei wusste die App nicht einmal, dass Ch. Beyer mit dem Mountainbike und Gepäck unterwegs war.
Auf dem Rückweg musste Ch. Beyer für das Stück von Nürnberg nach Erlangen ebenfalls wieder von der Schiene auf die Straße wechseln, beziehungsweise zog er eine Radtour durchs Nürnberger Knoblauchsland einer Zugfahrt in überfüllten Zügen mit Umsteigen in Nürnberg und Fürth vor. Es war eine gute Entscheidung!
(2) Das zweite Radabenteuer führte Ch. Beyer nach Thüringen und zur Lothramühle. Das ist ein Camping-Platz an einer der Saaletalsperren, den Ch. Beyer bei der Sweet-16 von vor vier Jahren passiert und in guter Erinnerung behalten hatte. Damals war er am späten Abend durch den Campingplatz geradelt und hatte sich der besonderen ostalgischen Stimmung erfreut, die das Camping und seine Bewohnerinnen und Bewohner ausgestrahlt hatten. Nachdem im Rahmen des Orbit 360-Projekts zwei aneinanderliegende Tracks für Thüringen vorhanden waren und beide mit dem Zug innerhalb von eineinhalb bis zwei Stunden von Erlangen aus zu erreichen waren, bot sich ein doppeltes Thüringen-Bikepacking-Projekt zum weiteren Training für den Alpes Divide an.
Diesmal lieferte die Bahn Ch. Beyer pünktlich in Steinbach am Wald an der bayerisch-thüringischen Grenze ab. Von dort ging es entlang des Rennsteiges nach Blankenberg. Hier war Ch. Beyer in der Vergangenheit bereits den Frankenweg und den Fränkischen Gebirgsweg gestartet, die beide nach Süden abgehen. Von Blankenberg führte der Track entlang der vielen Saaletalsperren, die ein riesiges Naherholungsgebiet für die Thüringer darstellen. Mit Stränden, Seehäusern, Segelbooten und Ausflugsbooten hat es gelegentlich den Anschein eines mondänen Seebades an eines der großen Meere. Nur die umliegenden Nadelwälder passen nicht so richtig ins Bild.
Nach den Erfahrungen von der Bayrisch Lettn begann Ch. Beyer dieses Mal schon sehr früh mit der Kalorienaufnahme, hielt an einem kleinen Supermarkt in Ziegenrück für Kekse und Apfel, am Saalfelder Feenwald für eine Thüringer Bratwurst, in Bad Blankenburg in der Bahnofskneipe zur Bimmelbahn für Schnitzel mit Kartoffelsalat und kurz vor Erfurt in einem Shelter für eine gute Mütze Schlaf an. Abseits jeglicher Straßen am Waldrand hatte Ch. Beyer dieses Mal tatsächlich einen sehr geruhsamen Schlaf. Am Folgetag ging es nach Erfurt und dann wieder zurück in Richtung Saalfeld. Besonders erwähnenswert war das Gasthaus Waldfrieden am Frauenwald, wo Ch. Beyer ein selten gutes Mittagessen, nämlich vorzügliche Spätzle mit Pilzrahmsauce, serviert bekam.
Ganz gelang es Ch. Beyer nicht beide Thüringer Orbit 360-Gravelrouten zu vollenden. Die Ostschleife der südlicheren Runde, die durch das Schwarzatal führt, ließ er aus und fuhr von Saalfeld auf dem direktesten Weg gen Steinbach am Wald, um mit dem Zug zurück nach Erlangen zu pendeln. Mit jeweils circa 200 km und jeweils 4000 Höhenmeter hatte er aber irgendwie auch genug. Und wie heißt es in Watzlawicks Anleitung zum Unglücklichsein sinngemäß? – Ein Weg unglücklich zu werden ist es, Dinge zu Ende zu bringen.
Eine schöne Szene ergab sich für Ch. Beyer noch am Bahnhof in Steinbach am Wald. Hier stieg neben Ch. Beyer noch ein weiterer Velofahrer zu, der nicht unterschiedlicher hätte sein können. Ch. Beyer war nach zwei Tagen Gravel gezeichnet: Schmutzige Beine, verkratze Arme und deutliche Zebrastreifen auf Hose und Trikot aufgrund des eingetrockneten Schweißes, um nur die visuellen Aspekte zu schildern. Der Radfahrkollege, bestimmt 10 Jahre jünger, hingegen war perfekt durchgestylte: Specialized Tarmac Rennrad mit Eletronikschaltung, Specialized Helm, Brille, Trikot, Hose, Socken und gar Specialized Schuhe. Picobello, blitzeblank sauber. Doch auch der junge Mann war vermutlich sehr fleißig gewesen, schließlich stieg er erst in Bamberg aus: Unter der Annahme, dass er von Bamberg bis Steinbach geradelt war, so hatte er auch eine ordentliche Tour hinter sich.
(3) Das Bikepacking in Thüringen hatte Ch. Beyer eigentlich schon für eine Woche früher geplant gehabt und für das Thüringen-Wochenende war eine Velofahrt in der Rhön vorgesehen. Jedoch machte eine fiese Gastroenteritis Ch. Beyer einen ordentlichen Strich durch die Rechnung.
Eines möchte Ch. Beyer hier vorab klarstellen: Eine infektiologische Vorbildung ist auf keinen Fall hilfreich, wenn man als Patientin oder Patient selbst an einer Infektionserkrankung leidet. Die Abheilung wird nicht beschleunigt, vielmehr stellt man sich nur unnütze Fragen: Warum nun das Fieber und die Gliederschmerzen? Warum die Übelkeit? Warum der gräuliche Stuhl? Warum persistierende Durchfälle nach nun schon vier Tagen? Am Ende des Tages konnte Ch. Beyer auch nichts anderes tun als stetig Wasser zu trinken, wenig zu essen und die Nähe zur Toilette aufrecht zu erhalten. Aufgrund der Schwere und Dauer der Durchfälle vermutet Ch. Beyer eine bakterielle Durchfallserkrankung, denn die üblichen viralen Diarrhöen kommen und gehen innerhalb von ein bis zwei Tagen. Aber auch als Ärztin oder Arzt kann man einer Erkrankung und der Tatsache als Patient die Seite zu wechseln, etwas Großartiges abgewinnen: Die Erkrankung schult Demut und auch Mitgefühl für die eigenen Patientinnen und Patienten, die in den folgenden Tagen erneut in den Ambulanzen und Stationen auflaufen. Plötzlich hat Ch. Beyer wieder ganz viel Verständnis für Patientinnen und Patienten mit Reizdarm und anderen unnützen Erkrankungen.
(Schlussworte) Einen letzten Punkt möchte Ch. Beyer noch aufgreifen, ehe er sich den letzten Schliff für den Alpes Divide holt. Die Frage nach dem Sinn ist wichtig und gut, doch man sollte sie sich nicht zu oft stellen und keinesfalls bei einem Bikepacking-Abenteuer, wenn man morgens steife Beine und ein wundes Gesäß hat, sich in der Mittagshitze irgendwelche steilen Anstiege hinauf quält, man vor lauter Hunger und Durst keinen Appetit mehr hat und man nachts im Halbstundentakt von knatternden Motorrädern oder schnatternden Velofahrern aus dem Schlaf gerissen wird. Der Abenteuertrieb und die jugendliche Leichtigkeit sind leidvollen Erinnerungen und wertvollen Erfahrungen gewichen. Die körperlichen und technischen Vorbereitungen sind besser denn je, aber der Geist bei Weitem nicht mehr so frei wie früher. Ein paar Stunden, Kilometer und Höhenmeter weniger tun es ja auch, um einen erfüllten Tag auf dem Rad zu erleben. Ch. Beyer ist gespannt, was der Alpes Divide bringen wird. Seien Sie es auch, liebe Leserinnen und Leser! Nur zur Erinnerung: https://alpsdivide.com/