Tradition verpflichtet. Einige Teilnehmer bekamen das empfindlich zu spüren: Volle Breitseite! Während Kollege Keller über den Einzug der Gladiatoren philosophierte, fühlte sich Herr Beyer eher an die Passion Christi erinnert. Für die nächste Veranstaltung wird er einen Oxylogen, ein mobiles Beatmungsgerät, mitbringen müssen.
Während vor zehn Jahren der letzte Wettkampf, das aktuelle Burger King-Menü und der Tune-Carbonflaschenhalter vorrangige Themen waren, standen bei der diesjährigen Sportveranstaltung der letzte Elternsprechtag, das Tofugeschnetzelte im Gemüsebeet und die Kompaktkurbel hoch im Kurs. Bob Dylan sang zurecht: „The times are a changin.“
Nur gelegentlich, leider allzu selten, war von dem Glanz alter Tage noch etwas zu spüren: Die „geschorenen“ Waden von Herrn BS aus E, die fast eingetrockneten Gele von Herrn BZ aus F und der traditionelle Leberkäs(e) serviert von Herrn KG aus E. Das dazu servierte Radler war schon alkoholfrei.
Von Hirschhausen, der medizinische Pausenclown, der als angeblicher Arzt durch die Medien hüpft, hat den Wandel vom Medizinstudenten zum Arzt einmal mit „Von Birkenstock zu Rodenstock“ beschrieben. Herr Beyer fände für den Wandel der ehemaligen Eisenmänner zu Wellnesssportlern die Analogie von 11-23 hinten zu 50/34 vorne passend.
Nun möchte Herr Beyer nicht allzu lange den altehrwürdigen Zeiten nachweinen. Man muss die Feste feiern, wie sie kommen. Und vielleicht, so seine Hoffnung, sind die Radsportkollegen in 20 Jahren, wenn die Kinder aus dem Haus sind, welches schon abbezahlt ist und wovor sich kein weiterer Parkplatz für den dritten Porsche findet, wieder in der Lage, sich in eine ausreichende Form zu bringen, um sich legendäre Schlachten auf dem Rad zu liefern, wovon sie im Alter von 80 Jahren noch zehren können.
Um das Ganze besser einzuordnen und um gerade noch die Kurve zu kriegen, die Herr Beyer bei einer Abfahrt von der Burg Feuerstein zuletzt nicht mehr zu meistern wusste, sollte der Leser wissen, dass Herr Beyer die Leistung seiner Mitfahrer durchaus anerkennt. Gerne würde er sein Lob mit der Gießkanne verstreuen, wenn er nur wüsste, wie das nun wieder geht. Insbesondere die Leidensfähigkeit seiner Mitfahrer fand er höchst beachtlich.
An Leidensfähigkeit darf es bei einer Eroica auch nicht fehlen. Die Eroica ist schließlich eine der traditionellsten Formen, Radrennen zu bestreiten. Winston Churchill sprach da nicht umsonst von Blut, Schweiß und Tränen. Zugelassen sind bei der Eroica nämlich nur Räder, welche vor 1987 gebaut wurden. Und bei der Ur-Eroica quälen sich die Sportler damit über die berüchtigten Strada biancha, die mit steilen Rampen gespickt, die Toskana durchziehen. Aktuelle Diskussionen um Scheibenbremsen und elektronischen Schaltungen an Rennrädern scheinen in Anbetracht der Eroica gerade zu lächerlich. Mann ist schon froh, wenn mann, nachdem mann sich und sein Rad mit der Dreigangübersetzung erfolgreich den Berg hinaufgewuchtet hat, denselben ohne die Haut- und Knochenbremse abfährt.
Erstaunlicherweise erfreut sich die Eroica, der urtümliche Kampf auf dem Rad, der Ritt der Gladiatoren auf ihren Stahleseln, zunehmender Beliebtheit, so dass es europaweit immer mehr Rennen in diesem Stile gibt. Gerüchten zufolge, so kam es Herrn Beyer zumindest zu Ohren, kämen die chinesischen Radfabriken kaum hinterher, Rennräder im traditionellen Look zusammen zu schweißen. Radsportler sind eben die doch letzten Traditionalisten, Fetischisten und Masochisten.
Da Franken ein Zentrum der Tradition und Urtümlichkeit ist, übrigens nicht zu verwechseln mit Urdümmlichkeit, die dort nicht nur im Sprachgebrauch regelmäßig vorzuliegen scheint, lag es nahe, eine Eroica hier auszutragen. Und, um gleich zwei Fliegen mit einer Schlatsche zu klagen, bot es sich an, die Premiere der Eroica franconica zusammen mit dem Geburtstag des fittesten 40-jährigen Frankens zu zelebrieren. Es erfolgte der Aufruf zur gemeinsamen Radausfahrt mit KG aus E.
Einem Traditionsrennen mehr als würdig wurde die Streckenführung der „Guten-Nacht-Tour“ für die Premiere der Eroica franconica gewählt: Marloffstein – Ortspitz – Hardt/Wichsenstein – Egloffstein – Rödlas. Achtzig Kilometer und geschätzte 1200 Frankenhöhenmeter. Geteert war die Strecke auch schon vor 50 Jahren. In Franken herrschen schließlich keine italienischen Verhältnisse. Auch wenn die 1987-Regel bei der Premiere noch nicht einzuhalten war, fuhren die Teilnehmer durchaus alte Geschütze auf: Insbesondere der mintgrüne Bianchi-Stahlrenner von BK aus F mit der Lenker-zu-Sattelüberhohung von 50 cm erregte Aufsehen. Erstaunlich, dass Mann diese Sitzposition auch heute noch ohne Aussparungen am Sattel fahren kann.
Mit der ausgelutschten Ausrüstung ging es für die Teilnehmer nun darum, sich die Lorbeeren des Tages zu sichern. Natürlich weiß der treue Leser, dass Herr Beyer dies einmal mehr idiotisch bzw. idiomisch meint, da im Radsport keine Lorbeeren, sondern farbige Trikots für besondere Leistungen verliehen werden. Perfide, nicht wahr? Denn damit muss Mann am nächsten Tag weiterradeln, womit wirklich jeder im Peloton weiß, wen es zu schlagen gilt, was auch wieder in seiner idiotischen Übertragung gelesen werden sollte.
Trikotträger im Radsport sind Würdeträger, weswegen die Trikots keineswegs leichtfertig verliehen werden und herausragender Leistungen bedürfen. Dies ist konträr zum Vorgehen beim deutschen Fernsehpreis, wo alle alle feiern und jeder einmal zum Zuge kommt. Nein, so funktioniert das im Radsport definitiv nicht. The Winner takes it all. Eddy Merckx verteilte auch keine Geschenke. Unter diesen Voraussetzungen möge der Leser auch die folgenden Trikotverleihungen sehen:
- Das Maillot jaune, das gelbe Trikot, wurde bei der diesjährigen Eroica nicht vergeben, da sich kein Siegfahrer herauskristallisierte. Der Sieger war das Team. Miteinander gegeneinander, würde Herr BS aus E sagen. Alle kamen an und keiner wurde auf der Strecke zurückgelassen, also fast wie beim deutschen Fernsehpreis, ordentlich verwässert.
- Das Maillot blanc à pois rouges und das Maillot vert für den besten Bergfahrer und den besten Sprinter wurden ebenfalls aufgrund mangelnder Angriffslustigkeit nicht vergeben.
- Das Maillot blanc, das weiße Trikot für den besten Nachwuchsfahrer, fand einen Abnehmer bzw. eine Abnehmerin. Nachdem LR aus E das Feld aufgrund anderer Wettkampfverpflichtungen frühzeitig verlassen hatte, gewann ES aus E souverän die GU-(gleich und unter)-25-Wertung. Alle anderen Starter bewegten sich schon hart auf die 40 und 50 Jahre zu.
- Der Prix de la combativité, üblicherweise durch eine rote Nummer gezeichnet, ging an AS aus E, für seine unermüdlichen Ausreißversuche. Aus Mangel an einer roten Nummer, wie bei der Tour de France vorhanden, erhielt er das rote Trikot, das Maillot rouge. Wenigstens einer!
- Neu in die Wertung aufgenommen wurde das Maillot gris, für den ältesten Fahrer. Das Maillot gris sicherte sich BU aus E, nachdem er sich auch während der ganzen Eroica gut in Position hielt.
- Eine konstante Position hielt ebenfalls BZ aus F, der schließlich das Maillot noir für die Bewältigung der größten Qualen am schwärzesten Tag des Jahres erhielt. Chapeau, B.! Umdrehen war keine Option. Tradition verpflichtet!
Tradition verpflichtet! Mit diesem Gedanken schloss Herr Beyer die Veranstaltung, als er sein verlorenes Hab und Gut auf der Eroica einsammelte und mit diesem Gedanken schließt er seinen Rennbericht, ohne sich für mögliche Rechtschreibfehler und Gedankensprünge zu entschuldigen. Ein Freud’scher, nicht wahr. Doch der Nachtdienstmodus fordert Tribut.
Mutti
Macht halt doch mehr Spaß mit „Profis“ zu radeln als mit der „alten“ Mutti ! Ha ha ha !!!
thewayishappinessblog
Wenn die vermeintlichen „Profis“ auch nicht mehr vom Fleck kommen 🙂
don horsto
es fehlt: trikot für beste radbeherrschung: l.s.aus e. kurz nach wixnstein, voll angetreten, irgendwie aber ins leere abgerutscht, kurzzeitig ca 65° abweichung fahrrad zur fahrtrichtung, trotzdem oben geblieben. hut ab. war großer radsport!