Jufemereis, oder der künftig gute Familienvater KonRad.

Der KonRad, der wird bestimmt ein guter Familienvater. Da ist sich Ch. Beyer absolut sicher. Denn der KonRad besitzt eine wesentliche Fähigkeit, im Neudeutschen ein wesentliches Skill, was sowohl gute Familienväter als auch exzellente Ausdauersportler auszeichnet.

Lieber Leser, lassen Sie uns das doch deduktiv angehen: „Papa KonRad, wie weit ist es noch? Papa KonRad, sind wir gleich da? Papa KonRad, bekommen wir ein Eis?“ „Kinder, es ist nicht mehr weit! Kinder, noch über diesen Pass und durch das wunderschöne Tal und dann über diesen weiteren Pass und dann sind wir gleich da. Vielleicht noch eine Stunde! Kinder, wenn wir dann sind, könnt Ihr Euch ein großes Eisbestellen!“

Die große Kunst des KonRads ist es, mit treuen Augen und ehrlichen Worten, mit väterlicher Haltung und Anstand, diese minimalen Unwahrheiten den Kindern glaubhaft zu vermitteln. Natürlich hat der Leser schon begriffen, dass es noch Stunden dauern wird bis die Familie KonRads am Camping-Platz angekommen sein wird, zu einer Zeit, zu der schon jede Eisdiele geschlossen sein wird. Doch das kann der Leser nur begreifen, weil er Ch. Beyers geschriebenen Text vor Augen hat und nicht durch KonRad Carisma geblendet wird.

„Wir haben schon mehr als die Hälfte des Anstieges geschafft. Jetzt wird es deutlich flacher. Ach, wir müssten gleich da sein. Die Etappe wird heute sicher flach sein.“ Das waren die Worte des künftig guten Familienvaters auf Sizilien. Und Ch. Beyer muss zugeben, dass er ihnen auch Glauben schenkte, anfangs. Natürlich sollte der Leser in Betracht ziehen, dass Ch. Beyer quasi nie Kind war und auch nicht erwachsen werden wird. Daher fehlen ihm entsprechende Referenzen, um die Kryptographien KonRads richtig zu deuten.

Unter einem Hut steckte KonRad mit seiner Radfahrer App „Komoot“. Ein paar Punkte auf dem Smartphone verbunden, auf das Wahoo-GPS geladen und fertig war die Radschikane. In Deutschland, so berichtete der künftig gute Familienvater, finde Komoot stets die kleinen Sträßchen, bei denen die Abfahrten mindestens doppelt solange seien wie die Anstiege. In Sizilien identifizierte Komoot mit großer Treffsicherheit die steilsten Rampen und die rauhesten Pisten. Hätte Ch. Beyer Komoot in Chile gehabt, hätte er die Careterra Austral bis hoch nach San Pedro de Atacama verlängern können.

Ch. Beyer will aber nicht klagen. Im Gegenteil, er ist stolz auf KonRad. Ch. Beyer findet die Strategie und deren Umsetzung nach innen wie nach außen genial. Er hatte nämlich den Eindruck, dass KonRad sich wie ein guter Hypnotherapeut verhält, der zuerst in Hypnose geht, ehe ihm der Klient folgt. KonRad scheint seinen Worten selbst hinreichend Galuben zu schenken, um sich Hals über Kopf ins Abenteuer zu stürzen. Ch. Beyer meint, dass dies genau die richtige Einstellung für die World by Bike Challenge ist, deren Start 2020 in Paris sein wird. KonRad, Ch. Beyer kann Dich gerne anmelden!

Ch. Beyer hat KonRads internes wie externes Kommunikationsmodell hinreichend studiert und die Quintessenz in folgendem Neologismus extrahiert: „Euphemerize“ oder auf deutsch ausgesprochen „Jufemereis“. Natürlich kann sich der belesene Leser denken, dass es sich hier nicht um eine Speise handelt, zumal das große Fressen schon im ersten Sizilienblog abgehandelt wurde. „Jufemereis“ ist d i e (!) Lebenseinstellung der Ausdauerathleten. Es ist ein Lifestyle des Gutheißens, Schönmalens und sich selbst Bescheißens. Und das völlig endogen, ohne die Notwendigkeit von extern zugeführter, stimulierender Substanzen. Mit von extern zugeführten Substanzen verfolgen die Ausdauerathleten, den guten Jan Ullrich ausgenommen, nämlich primär somatische Ziele. Doch auch dabei ist der künftig gute Familienvater erneut zu ertappen, wobei er sich einzig und allein auf das 1, 2, 3 oder 4 Weizen konzentriert.

 

7 Comments

  1. 4 Weizen Fabi

    Ich kann der Beobachtung, dass Komoot steile Rampen den langen Abfahrten bei der Streckenführung vorzieht nur zustimmen…

    Die beste Touren-Führung gewährleistet immer noch das Mitführen eines analogen Angerers! 😉

    • Jawohl, den haben wir ungemein vermisst. Nicht nur, dass der analoge Angerer Strecken planiert, sondern der kann auch schon vor der Reise sämtliche soziokulturellen Highlights rezitieren. Und das hätte sich auf diesem Inselchen wieder einmal richtig gelohnt.

    • Um die Anger’sche Kulturlücke zu schließen und erste Bedenken hinsichtlich der Datteln anzumelden:

      Beim Doktor

      Woyzeck. Der Doktor.

      Doktor: Was erleb‘ ich, Woyzeck? Ein Mann von Wort!

      Woyzeck: Was denn, Herr Doktor?

      Doktor: Ich hab’s gesehn, Woyzeck; er hat auf die Straß gepißt, an die Wand gepißt, wie ein Hund. – Und doch drei Groschen täglich und die Kost! Woyzeck, das ist schlecht; die Welt wird schlecht, sehr schlecht!

      Woyzeck: Aber, Herr Doktor, wenn einem die Natur kommt.

      Doktor: Die Natur kommt, die Natur kommt! Die Natur! Hab‘ ich nicht nachgewiesen, daß der Musculus constrictor vesicae dem Willen unterworfen ist? Die Natur! Woyzeck, der Mensch ist frei, in dem Menschen verklärt sich die Individualität zur Freiheit. – Den Harn nicht halten können! – Schüttelt den Kopf, legt die Hände auf den Rücken und geht auf und ab. – Hat Er schon seine Erbsen gegessen, Woyzeck? Nichts als Erbsen, cruciferae, merk Er sich’s! Es gibt eine Revolution in der Wissenschaft, ich sprenge sie in die Luft. Harnstoff 0,10, salzsaures Ammonium, Hyperoxydul – Woyzeck, muß Er nicht wieder pissen? Geh Er einmal hinein und probier Er’s!

      Woyzeck: Ich kann nit, Herr Doktor.

      Doktor mit Affekt: Aber an die Wand pissen! Ich hab’s schriftlich, den Akkord in der Hand! – Ich hab’s gesehen, mit diesen Augen gesehen; ich steckt‘ grade die Nase zum Fenster hinaus und ließ die Sonnenstrahlen hineinfallen, um das Niesen zu beobachten. – Tritt auf ihn los: Nein, Woyzeck, ich ärgre mich nicht; Ärger ist ungesund, ist unwissenschaftlich. Ich bin ruhig, ganz ruhig; mein Puls hat seine gewöhnlichen sechzig, und ich sag’s Ihm mit der größten Kaltblütigkeit. Behüte, wer wird sich über einen Menschen ärgern, ein‘ Mensch! Wenn es noch ein Proteus wäre, der einem krepiert! Aber, Woyzeck, Er hätte nicht an die Wand pissen sollen –

      Woyzeck: Sehn Sie, Herr Doktor, manchmal hat einer so ‚en Charakter, so ’ne Struktur. – Aber mit der Natur ist’s was anders, sehn Sie; mit der Natur – er kracht mit den Fingern –, das is so was, wie soll ich sagen, zum Beispiel …

      Doktor: Woyzeck, Er philosophiert wieder.

      Woyzeck vertraulich: Herr Doktor, haben Sie schon was von der doppelten Natur gesehn? Wenn die Sonn in Mattag steht und es ist, als ging‘ die Welt in Feuer auf, hat schon eine fürchterliche Stimme zu mir geredt!

      Doktor: Woyzeck, Er hat eine Aberratio.

      Woyzeck legt den Finger auf die Nase: Die Schwämme, Herr Doktor, da, da steckt’s. Haben Sie schon gesehn, in was für Figuren die Schwämme auf dem Boden wachsen? Wer das lesen könnt!

      Doktor: Woyzeck, Er hat die schönste Aberratio mentalis partialis, die zweite Spezies, sehr schön ausgeprägt. Woyzeck, Er kriegt Zulage! Zweite Spezies: fixe Idee mit allgemein vernünftigem Zustand. – Er tut noch alles wie sonst? Rasiert seinen Hauptmann?

      Woyzeck: Jawohl.

      Doktor: Ißt seine Erbsen?

      Woyzeck: Immer ordentlich, Herr Doktor. Das Geld für die Menage kriegt meine Frau.

      Doktor: Tut seinen Dienst?

      Woyzeck: Jawohl.

      Doktor: Er ist ein interessanter Kasus. Subjekt Woyzeck, Er kriegt Zulage, halt Er sich brav. Zeig Er seinen Puls. Ja.

  2. Siglinde-Muddi

    Wahrscheinlich kennst Du das mit dem Vater noch aus Deiner Kindheit, da haben wir Euch auch so getritzt. Das war vermutlich ein Fehler. Jetzt haben wir den Salat. Fast alle aus der Familie haben einen Hang zu extensiven Sportaktivitäten, bis auf ein paar Ausnahmen.
    z.B. Muddi,Vaddi. Aber die sind ja altersbedingt nicht mehr in der Wertung, machen Sport nur noch „Just for Fun“.

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