Spezialtraining.

Ein Teilnehmer des längsten Straßenradrennens Europas, dem Transcontinental, das jedes Jahr über 3000 bis 4000 Kilometer von West- nach Osteuropa geht, behauptete, dass nicht derjenige Radfahrer gewinnt, der am Besten in die Pedale tritt, sondern der, der in kürzester Zeit am meisten Kalorien in sich hineinschlingt. Das Aufwachsen in einer Großfamilie mit vier Geschwistern ist hierfür übrigens ein klarer Wettbewerbsvorteil.

Doch auch bei jahrelanger Erfahrung und einer guten Portion Talent wollen derartige Fähigkeiten stetig trainiert werden. In diesem Zusammenhang stand die kleine Drei-Etappen-Tour ins Breisgau und von dort zurück ganz im Zeichen des Ultracycling-Spezialtrainings, nämlich die Interaktion mit der Normalbevölkerung auf ein Minimum zu reduzieren und die Kalorienaufnahme möglichst effizient zu gestalten. Und das, Ch. Beyer berichtet es nicht ganz ohne Stolz, versetzte den ein oder anderen Vertreter der Normalbevölkerung in großes Erstaunen. Gut, mancher Verhaltensforscher hätte die Gesichtsausdrücke auch als Zeichen des Entsetzens interpretieren können, aber dies fände Ch. Beyer eine sehr formalistische Diskussion.

Der erste spannende Kontakt mit der Normalbevölkerung ereignete sich an einer Hotelrezeption in Nurtingen. Aufgeweicht, durchgefroren, klamm und ein wenig glücklich, dass die erste Etappe zu Ende war, bestellte Ch. Beyer bei einer jungen Rezeptionistin ein Hotelzimmer. Die Kreditkarte legte er schon vorsorglich auf den Tresen, damit alles schnell ging. Die Zeit, die beim Ultracycling nicht auf dem Rad verbracht wird, gilt als verlorene Zeit. „Wenn Du nicht fährst, wird jemand anderes fahren!“ wusste schon Ultracycling Legende Mike Hall.

Alle Vorkehrungen für einen raschen Check-in waren gegeben, als die Rezeptionistin Ch. Beyer’s Pläne durchkreuzte: „Wollen Sie ein Frühstück buchen? Kostet 15 Euros?“ „Eigentlich nicht. Ich wollte früh los, außer es regnet so weiter wie bisher. Ich würde ja nach dem Wetter gucken, aber das Induktionsdisplay meines Handys funktioniert mit meinen blauen Fingern nicht.“ „Naja, Sie können sich ja morgen früh noch entscheiden. Wollen Sie Ihr Zimmer gleich bezahlen?“ „Ja, hatte ich Ihnen die Kreditkarte nicht schon gegeben?“ „Sie hatten sie hier hingelegt und dann wieder eingesteckt.“ „Ach so. Na dann. Bitteschön.“ „Danke. Das macht 69 Euro. Und haben Sie sich das mit dem Frühstück schon überlegt?“ Leider wurde es nicht besser. Die Rezeptionisten perseverierte am Frühstück. Aus Zeitgründen hätte Ch. Beyer es buchen sollen. Gebraucht hätte er es nicht, denn vor dem Frühstück war er schon wieder auf der Straße.

Ein zweiter Kontakt mit der Normalbevölkerung in einem Café in Karlsruhe verlief ebenfalls nicht reibungslos: „Guten Tag. Ich hätte gerne vier Eier, zwei Butterbrezen, ein Schokohörnchen und eine heiße Schokolade. Ich würde gerne sofort zahlen.“ Die Augenbrauen gingen hoch, auch wenn Ch. Beyer sich gar Umstände machte und den Konjunktiv verwendete. „Junger Mann, nehmen Sie sich doch die Eier. Die Butterbrezen, das Schokohörnchen und die heiße Schokolade kann ich Ihnen ja vorbeibringen.“ „Danke, ich würde es gleich mitnehmen. Sie können alles auf einen Teller legen.“ „Na gut, aber zahlen können Sie am Ende.“ Hier sollte sich die Weisheit der Verkäuferin auszahlen, denn die Stücke für Mohn- und Käsekuchen mussten schließlich auch noch bezahlt werden. Als es dann knapp acht Minuten später ans Bezahlen ging, konnte die Verkäuferin ihre Neugierde nicht verbergen. „Naja, Sie wissen ja. Radfahren macht hungrig. Aus Basel komme ich soeben und möchte weiter nach Erlangen.“ Mancher Verhaltensforscher hätte jetzt behauptet, dass ein Ausdruck von Skepsis die Neugierde im Gesicht verdrängte.

In einigen Schlüsselfähigkeiten ist Ch. Beyer also noch nicht in Topform. Es bleibt genug zu tun bis zu den ersten Ultracycling Rennen. Ch. Beyer freut es. Den Leser sollte es auch freuen, denn es wird bald wieder etwas zu berichten geben.

2 Comments

  1. Siglinde-Muddi

    Sehr interessant der Bericht.
    Das Gesicht der Verkäuferin hätte ich auch gerne mal gesehen bei deiner Bestellung.
    Wird Sie sicherlich nicht alle Tage haben.
    Ansonsten ist dem nichts mehr hinzuzufügen,
    Bin schon stolz !

    • Don H.

      Großartig! Großartig! ChuckBeyer und seine Berichte aus dem Alltag sind super, wenn dann noch Mama Beyer Ihren Buam lobt, … der Tag ist dein Freund!

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