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Ein Kind des Konsums ist Ch. Beyer während der Corona-Pandemie geworden. Er liest und guckt und liest und guckt, doch zu Papier gebracht hat er zuletzt nichts. Auf den Asphalt gebrannt hat er zuletzt auch zu wenig und die letzten Micro- und Macroadventures liegen gefühlt Jahrzehnte zurück.

Dabei fehlt es ihm nicht an Ideen: Jurasteig, Bike Fitting, Paleo, Functional Movement, Stretching, Catalyst Pedal, Coefficient Handle Bar und Lore Fahrradschuhe. Es gäbe viel tot zu diskutieren und vielleicht macht er das demnächst auch wieder: Liebe Leser, halten Sie sich lieber bereit!

Doch nun zum heutigen Anliegen, und zwar ganz von vorne: Denn am Anfang, lieber Herr Goethe, war das Wort. Und das Wort war zwar nicht bei Gott, sondern beim Standesamt, doch es hatte nicht minder schwere Konsequenzen. Ein restliches Leben lang ist schließlich eine verdammt lange Zeit, wenn man nicht gerade schon 93 Jahre alt geworden ist. Und wer weiß schon, wie lange es dann noch geht.

Gut, wenn da Freunde und Kollegen mitdenken. Gerne schenken sie kleine Motivationsanstöße, die die, die sich getraut haben, in der Folge auspacken können, um der geliebten Zweisamkeit wieder frischen Wind zu geben.

In just diesem Falle waren es die lieben Kollegen von Ch. Beyers Frau, die die grandiose Idee hatten, eine gemeinsame Radtour für das Ehepaar zu inszenieren: Zusammengepfercht auf einem Fahrrad, einem Tandem! Das Ehepaar erhielt folglich einen Gutschein für eine Tandemfahrt über drei Tage, einzulösen in der Dovestraße 10 in Nürnberg.

Nun, was soll Ch. Beyer dazu schon schreiben: Mutig. Waghalsig. Ein hochriskantes Geschenk. Oder wie es der Opel-Vivaro-Fahrer, der im Pegnitztal Ch. Beyer und Frau aus dem Fenster heraus freundlich ansprach, ein Hopp-oder-Topp-Geschenk. „Ein Tandem ist ein Testgerät. Wenn Ihr damit gefahren seid, bleibt Ihr für immer zusammen oder Eure Ehe scheitert grandios. Bei meiner Frau und mir hat es geklappt. Wir haben vier Kinder und der Älteste und seine Frau haben auch schon wieder ein Tandem!“

Als Großfamilienbelastete haben Ch. Beyer und Frau bei den „vier Kindern“ mal geflissentlich weg gehört, doch das Für-Immer-Zusammenbleiben war die Quälerei vielleicht wert.

Zu diesem Zeitpunkt gingen Ch. Beyer und Frau schon wechselweise alle fünf Minuten aus dem Sattel. Gleiches Procedere erfolgte zusätzlich und unabhängig von der Taktung auf jeder Abfahrt, denn die Sättel des Leihtandems waren für längere Touren ein Graus. Mögen die weichen Sitze für Stadtfahrten bestens geeignet gewesen sein, so führten sie beim langen Sitzen zu dumpfen Nervenschmerz. Ein Klassiker!

Des Weiteren kämpften die Halswirbelkörper des Ehepaars mit dem kleinen Rahmen, der eher für Normalofranken ausgelegt war. Dabei waren Lenker und Vorbau vom Radhänder schon brutal nach oben montiert, so dass die Position zwar einigermaßen zu halten war, die Steuerbarkeit der Höllenmaschine jedoch erheblich litt.

Doch zum Glück ist der Mensch ein Gewohnheitstier und bereits gegen Ende des zweiten Tages kristallisierten sich zunehmend die Vorteile des Gefährts heraus: Die robusten 26 Zoll Laufräder, die breiten, geländegängigen Reifen und der Gepäckträger, der die Ortlieb-Tourentaschen klaglos aufnahm.

Die steigende Freude am geliehenen Gefährt ging einher mit der zunehmende Harmonie der Eheleute. Sie entwickelten eine neue Art der Kommunikation, übertragen durch die Kette zwischen den beiden Pedalachsen. Während es am Anfang noch ruckelte und zuckelte, weil Ch. Beyer mit Wucht in die Pedale hämmerte, um an der 30 zu kratzen, während die Frau versuchte die Beine mitzuführen ohne vom Rad zu fallen, entwickelte das Ehepaar allmählich einen runden Gleichtritt. Auf einmal war Ch. Beyers Puls nicht mehr bei 140 Schlägen, sondern bei 95 Schlägen pro Minute, als das Tandem auf der Ebene mit 25 Kilometer pro Stunde dahinsurrte. Auf einmal kam eine gewisse Freude auf, dahin zu gleiten, nachdem sich Ch. Beyer zuvor überlegt hatte, ob er bei Puls 140 auf dem eigenen Fahrrad nicht deutlich schneller unterwegs wäre. Nun war es, als ob die beiden Eheleute die Sync-Taste am Tandem gefunden hatten.

Lange hielt die Harmonie meist nicht: Schwere Anstieg, aber vielmehr noch unwegsame Abfahrten gefährdeten die Einheit. Ob ein weiteres Set Bremsgriffe für die Frau ein Fluch oder ein Segen geworden wäre, ist unklar. So blieb es nur bei verbalen Bremsattacken, die Ch. Beyer aufgrund des starken Fahrtwindes beim besten Willen nicht hatte wahrnehmen können.

Und um den sich Emanzipierenden gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: Am Tandem sitzt die größere Masse vorne, um die Steuerbarkeit des Gefährtes zu verbessern. Ch. Beyer hätte sich durchaus gefreut, das Steuer an die Frau zu übergeben und sich von hinten mit der Kamera zu betätigen. Beim Autofahren macht er das nämlich auch.

Stete Sympathiebekundungen sind übrigens ein wunderbarer Nebeneffekt des Tandemfahrens, auch wenn diese meist der Frau am Hinterrad gewidmet waren. Dabei erwuchs das Wohlwollen der Passanten vermutlich aus verschiedenen Motiven: Motivation, Lob und, am Ende des Tages, wohl meist Mitleid. Die Aussicht für die Frau beschränkte sich auf das schwarze Trikots Ch. Beyers, das nur allmählich mit einigen Schweißgirlanden verziert war. Kaum Kritik gab es übrigens auch von den motorisierten Verkehrsteilnehmern: Kein einziges Hupen, kein einziges Schneiden. Entweder war Frankenfahrradtag, oder der Respekt vor Tandemfahrer ist enorm.

Nun überlegt sich Ch. Beyer natürlich, ob ein Tandems nicht eine sinnvolle und zukunftsträchtige Investition für das Ehepaar wäre. Ein Tandem ist doch viel romantischer als ein E-Bike für die Frau, was als anderer relevanter Lösungsansatz radsportverrückter Männer gilt. Doch noch bremst Ch. Beyers Frau seine Ambitionen und sinniert über Kontrollverlust…

… naja, vielleicht haben die lieben Kollegen der Frau nochmals Mitleid mit Ch. Beyer und verschicken erneut einen Gutschein. C.S. aus N. wüsste ja, wo er fragen müsste. Der Laden in der Dovestraße hat auf sein Zutun nun auch „echte“ Gutscheine.

2 Comments

  1. Muddi

    Ich hab richtig gelacht üb er den l.ustigen Bericht zur Tandemfahrt.
    Vielleicht ist der Herr Doktor auf den Geschmack gekommen. Dann hast Du keine ruhige Minute mehr liebe Domi.

  2. DonHorsto

    Oder beides? Ein schönes, flottes ebike UND ein schickes Tandem? Müsst halt noch einen extra Keller bzw besser a Garaaasch anmiiiidn…. weil wohiiiie denn mit dem ganzen Fahrradgeraffel? Oder und noch dazu ein e-tandem?

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